Ich kann mich an kaum einen meiner Geburtstage wirklich erinnern. Letztes Jahr (33) lag ich krank im Bett. Da kann ich mich dran erinnern. Dass ich meine Eltern anpflaumte (weil ich dankt der Krankheit schmerzen im Mund hatte. Nervt arg beim Telefonieren). Daran, dass ich meine damalige Freundin etwas vermisste, die gerade ganz andere Sorgen als mich hatte. Aber davor? Also länger als ein Jahr her? Keine Ahnung.
Als ich 30 Wurde hab ich glaube ich sogar gefeiert. Ich war gerade frisch verheiratet, wir wohnten seit einem halben Jahr in unserer Wohnung. Aber das ganze geht unter in einem Wust aus anderen Erinnerungen. Geburtstage sind nicht wichtig. Meine wenigstens. 30, das war 2004.
Ich habe mit 6 Angefangen “Karriere” zu machen. In dem Sinne, dass ich diffus wußte, dass ich irgendwie “nach vorne” will. Nicht als High-Potential, aber doch kontinuierlich “grundsolide”. In der Schule immer vorn mit dabei (aber: Integrierte Gesamtschule, das führt zur Abwertung), irgendwie immer gewusst, dass ich mal studieren will (warum wußte ich damals glaube ich noch nicht, vielleicht weil ich “anders” sein wollte als jene “Schulversager und Sport-Kids”, die ich in meiner Klasse teilweise verachtete?).
Ein kleiner Geek, wenn man so will, aber nie so ganz. Immer auch Radfahren neben dem Computer. Durchgewurschtelt. Ich hatte glaube ich eine ziemlich unproblematische Pubertät, dann Zivi, danach direkt Uni, im ersten Studiengang geblieben, recht früh einen Nebenjob bekommen in der Branche, in die ich eh wollte (Marktforschung) und ab da dann recht linear. Studium war zwar relativ lang, aber nicht zu lang. Drei Monate nach dem Diplom fing ich in meinem ersten Vollzeitjob an. Und in der Firma bin ich noch immer. Vom Junior zum “Senior”, zum Teamleiter. Geld stimmt schon, auch wenns natürlich irgendwie immer mehr sein könnte.
Mir geht’s ja eigentlich ganz gut. Ich bin Gesund.
singt Bodo Wartke. Und eigentlich hat er damit ziemlich recht. Eigentlich geht’s mir sogar ziemlich gut. Ich bin relativ gesund, ich habe einen relativ hohen Lebensstandard. Hunger, Kälte etc. sind für mich so dermaßen nicht relevant, dass ich eigentlich wirklich keine Probleme habe. Ich habe wenige, aber erlesene Freunde. Ich komme gut mit meinen Eltern zurecht. Aber irgendwie fehlt natürlich immer was. Nur weil man mehr hat, wird man nicht automatisch glücklich.
Ich bin mitten in Hamburg groß geworden. Ottensen, Bahrenfeld, Altona. Mein “Zuhause”. Kein Problemstadtteil, aber auch nichts besonderes. In 15-20 Minuten im Zentrum der Stadt, in 5-10 Minuten im Zentrum Altonas. Ein schöner Aspekt an Hamburg ist, dass jeder Stadtteil sein eigenes Zentrum hat. Der Regierungsbezirk Altona hat selbst schon ziemlich viele Einwohner. 700.000 oder so. Und irgendwann begann ich, das alles nicht mehr spannend zu finden. Das was dort passierte war wiederholbar. Die Verheißungen, die die Großstadt für viele Zugereiste bietet, waren für mich nur mehr reduziert wichtig Man bekommt alles was man braucht, aber “aufregend” war das nicht. Trott.
Du kommst auf die Welt um ihr den Kopf zu verdrehen, du lachst über Hunde und deine eigenen Zehen. Du bleibst kaum kannst du laufen alle zwei Meter stehen, und fällst auf die Knie um noch ein Wunder zu sehn.
Judith (Wir sind Helden) drückt es ziemlich treffend aus. Für Kinder ist alles toll, groß, wunderbar. Für mich wurde es irgendwann langweilig, klein. Wunder gibt es nicht. Nicht so wirklich.
Ich bin “Wissenschaftsgläubig”. Heißt alles ist irgendwie erklärbar. Vielleicht nicht heute, aber irgendwann.
Wenn ich nichtmehr an Wunder glaube, habe ich dann aufgehört Kind zu sein? Wahrscheinlich. Früher habe ich erwartet, dass ich irgendwann erwachsen werde. Wie auch immer “erwachsen” sich anfühlt. Aber definitiv anders als das was vorher war.
Und wenn das alles ist, okay! Nur schade, wenn man mehr erwartet (Kettcar)
Heute bin ich nicht wirklich erwachsen. Oder doch? Beruflich sicherlich. Ich weiß was ich tue, ich weiß was ich kann. Ich kann was ich tue. Ich kann meinen eigenen Haushalt führen. Passt. Aber ist erwachsen nicht noch mehr? Kommt da noch was? Irgendwie ist Leben inzwischen sowas wie ein kontinuierliches Warten. Warten darauf, dass noch was aufregendes passiert. Warten auf Wunder? Nur weiß ich gar nicht, was ich noch aufregend finden soll.
Das Gedächtnis arbeitet so, dass Erinnerungen besonders gut gespeichert werden, wenn wir damit Gefühle verknüpfen. Je stärker die Gefühle, desto stärker die Erinnerung.
Wenn man ungezielt zurückdenkt, fallen einem ja ein paar Momente aus seinem Leben ein.
Was gewesen ist war, heißt ist nicht mehr da. Was gut war stehen lassen! Das restliche gehen lassen.
Singt Textor von Kinderzimmer Productions. Also das gute stehen lassen: Woran denke ich wenn ich zurückgucke? Was definiert mich also? So die Klassiker: Mündliche Abi-Prüfung (15 Punkte in Bio). Fahrprüfung. Erster Uni-Tag. Das erste “Date” mit meiner späteren Exfrau. Klassenerhalt mit St. Pauli in der 2. Liga gegen Oberhausen (1999 glaube ich). Das Wochenende, als ich mich in meine letzte Freundin verliebte. Der Urlaub, den ich bei ihr verbrachte.
Bin ich zu anspruchsvoll, wenn ich das nicht wirklich “aufregend” finde? Wenn ich überlege ob irgendwas schief gelaufen ist?
Hey, ich mag mein Leben!
Warum schreib ich das hier also eigentlich?
Manchmal will ich einfach ein paar Gedanken fallen lassen. Liegenlassen. Vielleicht später wieder aufgreifen. Weiterdenken. Ich habe fast zwei Tage darüber nachgedacht, wie ich hier weitermache. Wie ich aus der negativen Grundstimmung die der Artikel für mich hat komme. Wie ich erkläre, dass ich eigentlich gar nicht negativ gestimmt bin. Mir geht’s ja eigentlich gut. Jammern auf hohem Niveau, wenn man so möchte. In diesem Sinne verstehe ich diesen Artikel jetzt auch. Ein paar fallengelassene Gedanken, die vielleicht, irgendwann, wieder eingesammelt werden können.
Der Jog hat einen wie ich finde wunderbaren Artikel in der Zeit verlinkt. Und bei dem geht es um das Lebensgefühl meiner Generation. Der irgendwie-mitte-dreissiger sozusagen. Ich finde mich teilweise echt wieder. Und das da oben? Das bin halt auch ich. Oder ein Teil von mir.
Interessante Analyse, die ich voll und ganz nachvollziehen kann. Wenn ich im Moment einen Artikel dieser Art schreiben würde, wäre allerdings der Grundton anders: ich bin frisch verliebt (knapp 3 Monate) und plane im Moment extrem nach vorne, die Welt ist rosarot und alles ist gut. Vor drei Monaten hätte ich aber einen Artikel in der gleichen Tonart schreiben können und Jammern auf hohem Niveau trifft es ganz gut. Unsere Generation hat das Glück größtenteils (ja, ich weiß, dass es auch anders geht) wie die Made im Speck aufzuwachsen. Wir haben riesige Chancen und vertun sie manchmal leichtfertig.
Offensichtlich ist es gar nicht so gut, wenn man eine „grundsolide Karriere“ macht – so wie Du. 😉
Was Du schreibst, hört sich so gelangweilt vom Leben an, daß man kaum Gefühle dafür aufbringen kann. Du jammerst nicht, Du bemitleidest Dich schlicht selbst.
Natürlich bist Du verwöhnt, viele unserer Generation sind das. Wir sind die Kohlkinder und Konsum war unser Lebensinhalt seit uns die Schultüte in die Hand gedrückt wurde.
Und wenn man unter dem Weihnachtsbaum 15 gigantische Geschenkpackungen hatte, dann hatte man für ein Set geschenkte Filzstifte von der Sparkasse nur ein müdes Lächeln übrig.
Das alles hat uns das Leben erleichtert – und erschwert. Wenn man in einer watteverpackten Welt aufwächst, dann ist Schaumgummi schon hart. Stößt man an eine echte Kante, dann haut einen das um…
Ich glaube nicht, daß es ein Zeichen von „Erwachsen-sein“ ist, die kleinen Wunder nicht mehr als solche wahrzunehmen. Es ist wohl eher ein Status, den man als Kind oder Jugendlicher als das abgeklärte Erwachsenenleben definiert hat. Du brauchst nur eine der oben erwähnten „Kanten“, um schnell wieder in das kindliche Verhalten zurückzufallen. Wie viele Dinge relativieren sich plötzlich, wenn man einen Schicksalsschlag erleiden muss? Wie kostbar erscheint einem manches, was davor im Meer der Banalitäten schwamm, wenn es plötzlich keine Selbstverständlichkeit mehr ist… Und genau DAS macht einen in meinen Augen „erwachsen“. Es ist die Lebenserfahrung und die Erkenntnis, daß es einen endgültigen Zustand des Erwachsenseins nur bezogen auf den Körper geben kann.
Hättest Du nur eine Nuance anders formuliert, hätte ich vermutlich so etwas wie „sei froh, daß Du das und das nicht erleben musstest“ hingeschrieben. Jetzt empfinde ich aber eher Mitleid, DASS Dir manche Dinge erspart geblieben sind. Gerade die (überstandenen) harten und schlechten Passagen im Leben geben einem die Möglichkeit, dieses kindliche Gefühl der allumfassenden Freude und der Bewunderung des Alltäglichen wieder zu gewinnen.
Ich wünsche Dir von Herzen, daß dieser lethargische Gleichmut nur ein Phase ist und vielleicht etwas so wundervolles wie die Liebe Dir plötzlich sowas von in die Birne knallt, daß es Dich aus den Schuhen katapultiert und Dir zeigt, daß es da noch so viel fantastisches gibt, was das Leben aufregend und spannend macht. 😉
Puuuh
@Luto verliebtsein ändert schon einiges. Ich weiß ja wie sich das anfühlt, aber (ähnliche) Gedankengeänge schaffen sich auch dann ab und zu Luft. Aber stimmt schon, das macht das ganze nochmal rosiger 😉
@Blondes Alien ich seh jammern und selbstbemitleiden nicht so weit auseinander. Wenn ich über meinen Zustand jammere ist es irgendwo auch Selbstmitleid.
Nur: So wollte ich das irgendwie nicht verstanden wissen.. Ich schreib am Ende ja selbst, dass ich mein Leben eigentlich mag. Von mir aus streich das „eigentlich“ auch 🙂 Macht es deutlicher. Ich habe ein vergleichsweise tolles Leben. In Phasen der Verliebtheit fühlt sich einiges anders an, aber das macht andere Phasen nicht weniger „gut“. Nagut, ein bisschen (Liebe hilft).
Lethargie würde heißen, dass ich mich dem ganzen ergeben würde, was ich gar nicht so sehe. Gleichmut… nunja, Welt ist irgendwie nicht soo aufregend, wie sie alle immer machen. Vielleicht ist das „mein Problem“. Es gibt wunderbare Momente, furchtbare Momente (und natürlich habe ich die absoluten Tiefen nicht erlebt, aber das da oben heißt nicht, dass es mir ausschließlich gut ergangen ist) und ganz viel dazwischen…Aber am Ende bekommt „Leben“ von mir eben nur ’ne 2… und ich frag mich halt, was zur 1 fehlt. Irgendwie so. Fällt mir schwer das in Worte zu fassen 🙂
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Naja, 700.000 Einwohner ist ein wenig viel für Altona. Aber auf knapp 250.000 kam man 2006 schon 🙂
Ohkey, wie komm ich auf 700.000? Egal, die Aussage bleibt ja gleich 🙂
In die gleiche Kerbe wie das blonde Alien hauend:
Das, was wir Langweile vom Leben nennen, ist eigentlich nur: pures Glück. Wir vermissen irgendetwas, etwas, das unserem Leben einen tieferen Sinn gibt. Menschen anderer Generationen und aus anderen Ländern hatten/haben nicht so viel Glück: Sie müssen Kriege überleben, Hungersnöte überstehen, Katastrophen aushalten.
Wir haben diese Extremsituationen nicht. Bei uns ist das Leben so, wie es sich die meisten Menschen aus anderen Zeiten und / oder Ländern wünschen: Wir führen ein weitgehend selbstbestimmtes Leben, müssen uns nur unseren eigenen Moralvorstellungen und einem (relativ gesehen) Minimum an Gesetzen verantworten; wir haben soviel Geld, das wir nicht überlegen müssen, ob wir essen können, sondern nur, ob wir lieber italienisch, deutsch, thailändisch oder französisch essen wollen.
Bei der Karriere gilt dasselbe, nur diesmal noch krasser: Selbst im Deutschlandschnitt haben wir eine sehr beruhigende Situation: Gut ausgebildet, in gutbezahlten Jobs mit einer (relativ gesehen) großen Menge an Eigenverantwortung und eigener Zeiteinteilung.
Aber weil wir (und ich schließe mich da ausdrücklich ein, denn mir geht es ja auch so) Menschen sind, reicht uns das perfekte Glück nicht aus. Wir suchen uns dann andere Dinge, die wir haben wollen: Extremsituationen. Aber letztlich wollen wir auch die nur erleben, wenn wir wissen, daß wir da unbeschadet rauskommen.
Ich beispielsweise sehe deswegen gerne Horrorfilme, spiele Killerspiele und gehe viel zu gerne aus. Beziehungen unterliegen demselben Muster: Es muß immer noch etwas Besseres geben als das, was ich habe.
Bei Ihren Gedanken in bezug auf Hamburg kam mir auch sofort der Gedanke: Was aber anstatt Hamburg? Eine Kleinstadt im Taunus? Auswandern nach New York? Nach Sibirien? Entweder noch größer, noch gigantischer, oder exotischer, oder eben einfach mal etwas ganz anderes? Aber auch dort wird das alles irgendwann als gegeben hingenommen.
Kurze Zusammenfassung (Management Summary 😉 ) des Kommentares: Wir gewöhnen uns eben an alles; leider auch zu schnell an die schönen Dinge.
Ich HATTE meine Hartz-IV Zeit, ich weiss, was es heisst, am 5. des Monats nicht mehr zu wissen, wovon man am nächsten Tag seine GRUNDnahrungsmittel kaufen soll, weil man vergessen hat eine Versicherung rechtzeitig zu kündigen. Und selbst ohne diese „Sonderausgaben“ hat man nur eines im Sinn: ÜBERLEBEN.
SOLLTE man mal ETWAS Geld über haben, um tatsächlich alle paar Monate in seinem Lieblingspub EIN Killkenny zu trinken, weiss man, dass dies ein absoluter Luxus ist.
Ich möchte NIE wieder in diese Situation reinrutschen, ABER: Es hat mir sehr geholfen, das Leben aus einer anderen Perspektive zu betrachten. Vieles, was früher (vor Hartz-IV) „normal“ war und nicht erwähnenswert, ist nun – wo ich wieder in Lohn und Brot stehe – im Wert deutlich gestiegen. Mein Lebensgefühl hat sich massiv verbessert.
Man muss die Täler kennen, um die Gipfel geniessen zu können. Immer nur Steak stumpft ab.
Nicht vergleichbare Situation, aber vergleichbarer Mechanismus: Nachdem ich einige Zeit von Hamburg wegziehen mußte und mich in einer Vorstadt in Hessen wiederfand, merkte ich erst, was ich an HH damals hatte. Und als ich zurückkam, konnte ich die Stadt viel mehr genießen.
Aber auch diese Erfahrung ist irgendwann verblaßt. Ich nehme an, das wird in bezug auf die Hartz-IV-Zeit nicht passieren, oder?
Keine Ahnung, ob dieses „Hartz-IV Trauma“ irgendwann berblasst. Ich bin alt genug um dies nicht auszuschliessen. Aber auf alle Fälle hat es sich mächtig massiv ins Hirn gebrannt.
Und ja, es ist wahrlich traumatisch, hat aber – wenn man sich aus der Situation befreien kann – _auch_ Vorteile, so etwas als Erfahrung im Hinterkopf zu haben. Denn man erkennt wieder, was alles Luxus sein kann: Überhaupt ein Bier zu trinken ist Luxus – und dann noch in einem Pub, DAS ist Luxus PUR
@GermanPsycho danke für die ausführliche Analyse. Kann ich, glaube ich, wohl so unterschreiben. wobei Gewohnheit auch nicht zwingend das schlechteste ist.
@Reizzentrum sicherlich helfen Erfahrungen sowas zu relativieren. Wobei ich in der Regel auch versuche mich an meinem „alltäglichen Luxus“ zu erfreuen 🙂