Unausgeschlafen wie immer in dieser Saison ging es am Sonntagmorgen zum Millerntor. Das möglicherweise letzte Spiel vor der alten Haupttribühne wollte bestaunt werden. Und ich hatte – für ein Spiel gegen ein Ost-Team (Cottbus war zu Gast) eigentlich ein ziemlich gutes Gefühl. Vor dem Spiel.
Dummerweise war es mir dann im Stadion doch irgendwie zu sonnig, die Fans auf den Rängen wirkten entspannt, das Warmmachen war auch irgendwie friedlich – um nicht zu sagen langweilig. Keine Ahnung, was es im Detail war, aber die Atmosphäre sagte mir, dass dieser Fußball-Spaziergang durch die Lausitz doch nicht so entspannt werden würde, wie vorher noch gedacht. Angespannt wie ich war, wartete ich im Kreise meiner Bezugsgruppe auf Hells Bells, den Anpfiff, Aux Armes.
Und während ich noch darüber nachdachte, ob ich evtl. doch einfach sowas wie PMS habe (Prä-Match-Schiss), wurde angepfiffen. Was soll ich sagen, ich fühlte mich sofort bestätigt. Die Fehlpassquote in unserem Mittelfeld kam mir relativ hoch vor – gerade unsere beiden Zauberfußballer Taky und Naki zeichneten sich eher dadurch aus, dass sie sich in der Abwehr festrannten, oder halt dann doch einfach mal ins Nirvana spielten. Entsprechend lahm war dann auch die erste Hälfte. Wie twitterte Frau @Jeky so zutreffend? Herzschonend. Schöner Euphemismus für laaaaaaaaaaaaangweilig. Da passten sich beide Teams den Sponsoren an, Dacia gegen Penny.
Merkwürdigerweise kommt bei solchen Spielen ja meist nicht nur das Spiel selbst nicht so richtig in Fahrt, sondern auch die Stimmung auf den Rängen. Und zwar von Anfang an. Nach dem rituellen Aux Armes zu Spielbeginn dümpelte die Stimmung so dahin. Ich sag ja: Zu viel Sonne. Hamburger Wetter ist einfach förderlich für die Konzentration auf das Spiel. Bei allen Akteuren. In der Sonne breitet sich zu schnell Entspannung aus.
Nach der Pause kam St. Pauli dann aber doch deutlich aggressiver aus der Kabine. Die ersten Angriffe wirkten auf mich schon gut und irgendwie dachte ich schon fast “alles wird gut”, als das Gegentor fiel. Erst zündeten die Cottbusser ihren Block an, und dann schießen sie auch noch ein Tor. Super.
Hinten liegen. Gegen Cottbus. Gegentore sind ja kaum vermeidbar, auch nicht zuhause, aber.. ich meine…
Hallo? Cottbus?
Ist ja nun nicht wirklich das Spitzenteam. Muss nicht. Genau gar nicht.
Stani reagierte und wechselte drei Spieler zugleich aus. Was mich dazu brachte mal darüber nachzudenken, ob dreierwechsel nicht vielleicht viel Klüger sind, weil man damit natürlich viel eher mal die komplette Taktik Verändern kann, als mit Einwechslungen eines einzigen Spielers. Jedenfalls kamen Kruse, Hennings und Sako für die (siehe oben) unglücklich agierenden Takyi, Naki und für Hauptkommissar Boll (der mich dazu bringt, den geneigten Leser noch auf den wunderbaren Freitagstexter nebenan bei Frau Jekylla hinzuweisen. Warum sieht man drüben).
Wo war ich? Ach ja, Kruse übrigens in orangenen Schuhen, was uns dazu brachte, nachzusehen, ob Herr @Textundblog heute etwa barfuß im Stadion war (zum Glück nicht..), die auch prompt den Ausgleich erzielten. Feines Tor, Max. Und ich muß ja zugeben, dass ich mich für den Jungen mindestens genauso freue, wie für Rouwen und Deniz (okay, andererseits ist mir fast egal, wer das Tor schießt, hauptsache, wir gewinnen).
Nach unserem Anschluß dann das große Anrennen gegen das Cottbusser Bollwerk. Gefühlte 200 Ecken und 400 mehr oder weniger guten Chancen später folgte dann jedoch der Abpfiff. Ohne ein weiteres Tor. Schon wieder eine gefühlte Niederlage zuhause. Langsam nervt das etwas.
Was ich mich zugegeben frage ist, ob es so sinnvoll ist, immer wenn gegnerische Fans im Gästeblock randalieren gleich “Nazis raus” zu rufen.
Nicht dass ich denen das nicht auch unterstellen würde, aber solang sowas nicht klar erkennbar ist, würde ich mir wünschen, dass wir uns damit zurückhalten. Es gibt genug Idioten, die genau gar nicht faschistisch sind, und denen gegenüber ist der Nazi-Vergleich einfach nur peinlich. Das können wir besser. Zumal ich davon überzeugt bin, dass sich Idioten über kurz oder lang mit denen solidarisieren, zu denen wir sie dann im Zweifelsfall werfen.
Wünsche fürs Rückspiel? Neben einem Auswärtssieg (auf den ich ja diese Saison offenbar gute Chancen habe) wäre es klasse, wenn irgendwer den Schleimer Wollitz, so er denn dann noch Trainer in Cottbus ist mal richtig gepflegt von den Beinen holt. Blutgrätsche-Style. Das wünsche ich mir schon sehr sehr lange.
Es gab wohl in der Tat rechtsradikale Gesänge im Gästeblock, so berichtet man zumindest aus der benachbarten Nord-Ecke.
Offenbar scheinen etliche der anwesenden Cottbusser damit auch nicht einverstanden gewesen zu sein, aber gedeckelt wird da von der Seite auch nichts. Genausowenig wie von Team Green oder den Ordnern. So ist das eben, mitgefangen, mitgehangen. Solange diese Fanumfelder dieses Problem nicht in den Griff bekommen, werden sie in den gleichen Topf geworfen. Oder wie möchten Sie dann rufen? „Alle, die Nazis sind, raus!!“?
Ansonsten freue ich mich, dass der von mir so sträflich vernachlässigte Max Kruse hier die verdiente Würdigung erfährt 😉
Für mich der Satz des Artikels:
Schöner Bericht. Und danke für den Hinweis auf Max Kruse (und auf sein orangenes Schuhwerk). Ich hatte ja, als so viele Chancen im 16er der Cottbusser von unseren Boys in brown nicht verwertet wurden, schon das ein oder andere Mal gedacht: „Wenn ich da jetzt mit meinen Geox gestanden hätte, wär‘ er drin gewesen…“ 😉
@Jekylla wenn da Nazigesänge waren, hab ich genau gar nix dagegen. Und wenn’s nur 10 von 200 anwesenden waren, man kann sich im Zweifel ja auch immer noch aussuchen, ob man sich angesprochen fühlt. Keine Diskussion nötig.
Ich hab halt immer mal wieder den Eindruck, dass bei uns der Reflex *immer* dahin geht, alle als Nazis zu beschimpfen, die Müll bauen, und da würde ich mir teils einfach vorher mal etwas Überlegung wünschen.
@Markus schade, das hätte ich wirklich gern gesehen, Dich mit den Geox auf dem Platz 😉
Wobei ich aber zugeben muß, dass ich bei den Ost-Vereinen langsam auch einen Beißreflex entwickle. Dazu hat das Spiel gestern auch beigetragen.
Die Einzigen, von denen ich mir noch was erhoffe, sind die Union Berliner, ich hoffe, „unseren“ ist klar, dass die eigentlich fast das Pendant zu St. Pauli sind und nicht ein weiterer „Ossi“-Verein.
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