Nachtreten ist das neue hinterher Winken

Ich weiß, diese Saison hat noch einen Spieltag. Ich weiß, noch haben wir die Mannschaft, das Trainer-Team, die offiziellen, die wir eben für die Saison 2010/2011 haben.
Noch sind alle da.
Noch ist es vielleicht nicht mal nachtreten, weil alle noch hier sind? Auch egal.

Ich weiß, man soll nicht nachtreten – über die Toten nur Gutes – oder so. Aber Pietät war sowieso noch nie meine Stärke und auch wenn es hier im Blog ruhig geworden ist – ab und zu muss sowas mal raus.

Komische Saison, irgendwie.

Aufstieg, Euphorie, gute Vorsätze. Eine leidlich brauchbare Hinrunde mit einem… sagen wir anstrengendem Ausklang. Und dann “diese Rückrunde”.

Nachtreten

Ich hielt und halte sehr viel von unserem Trainergespann. Aber irgendwie ist mir inzwischen so (ja, hinterher ist man immer schlauer), als hätten sie ihren…
“Zenit” bei uns spätestens irgendwann im letzten Herbst überschritten. warum genau, kann ich nur spekulieren (was ich hier gar nicht will).

Wenn man von Anfang Oktober (Nürnberg) bis Ende Januar genau einen Sieg (Heimspiel gegen Kaiserslautern) einfährt ist das schon ‘ne Serie über die man reden sollte. Bei der man sich als Trainer auch mal selber in Frage stellen sollte.
Auch wenn die Tabellenplatzierung dank gutem Start schon in Ordnung war für den Zeitpunkt.
Dass dann nach drei Siegen (Köln, Gladbach, HSV) in Folge die Tüte komplett leer war, dass dann noch unglaubliche 7:31 Tore und ein mageres Pünktchen (2:2 in Wolfsburg) an den Spieltagen 23 bis 33 eingefahren wird… Noch so ‘ne Serie.

Und so Negativserien zeigen ja auch irgendwas.
Irgendwas wie “entweder erreicht der Trainer seine Mannschaft nicht mehr so wirklich” oder “die Master-Pläne die da immer so schön erwähnt werden funktionieren so nicht” oder “die Master-Pläne sind zu kompliziert für die Mannschaft”. Man darf sich aussuchen was, ist am Ende auch egal, aber wenn ich als Vorgesetzter meinem Team Aufgaben gebe, die für die Teammitglieder zu schwer sind, ist es vor allem und zunächst mal meine Schuld. Das ist nämlich Teil des “Führens”. Das Potential der zu führenden erkennen und abrufen. Sie ihren Stärken gemäß einsetzen, und so gut es geht ihre Schwächen reduzieren.

Natürlich war unser Kader für die Saison nicht oberes Bundesliga-Niveau, aber so ein paar Dinge liegen halt nicht (nur) an der (fehlenden) individuellen Qualität einiger Spieler oder an den Verletzungsausfällen. Zumal das Team ja (auch!) durch den Trainer zusammengestellt wurde. Und er es ja auch in der Winterpause noch massiv verteidigt hat und dem Team sein Vertrauen aussprach.

Hat jemand mal mitgezählt, wie viele Gegentore wir in den letzten 5 Minuten bekamen?

Das ist natürlich im Einzelfall immer eine Unkonzentriertheit eines oder einiger Spieler.

Unkonzentriertheit passiert in jedem Beruf. Aber wenn ich über ein Jahr hinweg alle zwei Versuche den gleichen oder einen ähnlichen Fehler mache, dann muss ich mir nicht erst nach dem Jahr überlegen, woher der kommt.
Und die Ballung dieser Unkonzentriertheiten am Ende der Spiele spricht schon dafür, dass hier was mit der Kondition nicht so ganz stimmte. Sonst wären die Fehler einfach zufälliger Verteilt (ich alter Statistiker, ich). Aber so sieht man doch irgendwie eine gewisse Systematik.

Kondition ist das Ergebnis des Trainings und damit der Arbeit des Trainers. Ich vermute, dass nirgendwo so direkt der Trainer verantwortlich ist, wie bei der Kondition, denn hier ist der Anteil des Effekts einfach besser planbar, als sagen wir mal bei dem Lernen bestimmter Abläufe, das sehr individuell sein dürfte (Lernwilligkeit und Fähigkeit der Spieler etc.).

Und wenn die Kondition nicht stimmt, häufen sich auch die Verletzungen. Das lief in den letzten Jahren meistens gut für uns, was für unser Training und die medizinische Abteilung sprach, aber dieses Jahr war da irgendwie der Wurm drin. Und ja, auch Brüche können die Ursache in falschem Training haben – was die Muskeln nicht kompensieren können, landet schneller in den Knochen. Und dass unser medizinisches Personal das anders sieht – wen wunderts, die sind ja mit dafür zuständig. Das kann ich schon verstehen.

Offensive Spielphilosophie mit einem Stürmer schön und gut, aber irgendwann muss man vielleicht auch merken, dass diese nicht alles ist, bzw. einfach darüber nachdenken, ob ich daran doch was ändern sollte, einfach weil meine Philosophie so gar nicht mehr zum Erfolg führt. Stichwort eigene Fehler erkennen und vermeiden.

Und dann war da noch die gefühlte ‘charakterliche Kehrtwende’ (das Wort ist eine Krücke) von “mein Team ist toll und wir brauchen keine Ergänzungsspieler” im Winter zu “Alle doof, außer mir. Mit denen will ich nicht mehr spielen arbeiten” in den letzten Tagen.
Je näher der Abschied von Stani rückte, desto stärker schien er sich nicht mehr als Teil einer Gruppe zu begreifen, sondern – in der Außendarstellung – außerhalb der Gruppe zu stehen und mit dem Finger auf diese zu zeigen.

Die machen nicht, was ich ihnen sage, ich kann da nix für”.

Und wieder: Da muss man sich als Vorgesetzter dann bitte auch mal hinterfragen, warum das so ist. Alles andere ist nicht nur unprofessionell sondern einfach auch mal schädlich.

Wenn man dann noch die diversen “jungen oder jüngeren Talente” sieht (z.B. Hennings, Naki, Kruse, Takyi), die gefühlt in dieser Saison genau gar keine Entwicklung durchlaufen haben, kommt einem doch das eine oder andere Fragezeichen in den Sinn. Takyi, der am Ball viel kann, aber vor allem den Ball oft unnötig verliert (nicht durch riskante Fehlpässe, sondern durch schlafmütziges Zweikampfverhalten). Und das seit Jahren. Und es wird nicht besser (hallo Trainer?). Naki, der mal Teil der Aufstiegsmannschaft war, in der es “characterlich so toll war und alles stimmte”, der jetzt völlig neben der Spur scheint? Und der auf dem Platz gefühlt eher Rück- als Fortschritte macht, wenn es um sein Spielverständnis geht? Dessen einzige verbliebene Stärke eine gewisse Bissigkeit am Ball zu sein scheint? Hennings, der eins, zwei gebrauchte Spiele hatte und seitdem scheinbar kein Bein mehr auf den Boden bekommt? Kruse, der am Ball einiges kann, aber offensichtlich die Risikodenke des Trainers nicht verinnerlicht hat, oder dem das Selbstvertrauen am Ball fehlt? Der genau entgegen der Ankündigung des Trainers “mutig offensiv” zu spielen mit Vorliebe dann doch den sicheren Ball spielt? Wenn überhaupt? Klar liegt das auch an den Spielern, wie sie sich entwickeln, aber ist nicht genau dafür ein Trainer da, dass die Spieler besser werden? Dazu lernen? Mehr können, als vorher?

Kessler, der nachdem er die Bundesliga-Option zum Sommer gezogen hat plötzlich mysteriöser Weise nicht im Kader war, gefühlt als Strafmaßnahme genau dafür (‚”Identifiziert sich nicht mit unseren Zielen”?). Bestraft von einem Trainer der wenige Tage später quasi seine eigene Bundesliga-Option zog.

Das wirkt nach außen doch alles irgendwie so, als würde da intern schon seit Monaten eher daran gearbeitet die Kontrolle nicht völlig zu verlieren. Irgendwie bis zur Vertragsunterzeichnung woanders noch den guten Schein zu erwecken und dann off.

Das sind mir einfach inzwischen so ein bis fünf Dinge zu viel, um nur Zufall zu sein.

Ist das nachtreten? Von mir aus. Eigentlich ist das nicht einmal ein wirklicher Vorwurf, eigentlich sind das nur Fragen, die sich mir so stellen. Dinge, die einem so auffallen.

Und diese Fragen richten sich an die gesamte sportliche Führung. Wenn der Trainer es nicht mehr bringt, ist nämlich auch diese irgendwann mal in der Verantwortung.

Hinterher winken

Trotz all dem da oben:

Danke Stani! Danke Truller!

Danke für eine unglaubliche Fußballzeit in den letzten Jahren. Für viel mehr Aufs als Abs. Für all das, was Ihr beide miteinander und unabhängig voneinander uns allen hier am Millerntor gegeben hat. Danke vor allem für die magische Aufstiegssaison 2009/2010.

Niemals geht man so ganz.

Lernt in der Fremde. Sammelt andere, neue Erfahrungen. Und vielleicht sieht man sich eines Tages wieder. Als Gegner im Stadion. Als Freunde. Oder irgendwo und irgendwie ganz anders.

War alles in allem ‘ne Schöne Zeit.

Entgegenlächeln

Dem neuen Trainer. Ich freu mich auf unser neues Trainergespann und die nächste Saison. Ich freu mich auf die neuen (und auf die Alten) Gesichter, die nächste Saison den Kader bilden. Ich bin wirklich gespannt, was auf uns zukommt. Neue Erfahrung und so. Schubert ist der erste wirklich externe Trainer seit irgendwannindenneunzigern E. Krautzun.  Frischer Wind. Von außen und so.

Uns wird sicher eine etwas steifere Briese entgegenwehen, gerade am Anfang, Aber in Hamburg ist man Wind gewöhnt.

Luftholen. Sommerpause. Und dann…

Alle Mann an Deck. Hart am Wind Segeln!

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Der Fisch stinkt vom Kopf?!?

6 Gedanken zu „Nachtreten ist das neue hinterher Winken

  1. D’accord! Ich sehe, was ich vernachlässigt habe, ist hier zu finden. Es sind einfach zu viele Merkwürdigkeiten, als dass man sich alles schönreden könnte.

    Vorbei. Die dicke Dame hat gesunden, Oper fertig. Trotz Mainz.
    Nächste „Heim“-Vorstellung hoffentlich gegen Rostock in Lübeck (zwei Fliegen, eine Klappe, ich hoffe, der DFB kapiert wenigstens das) und dann kann die Saison beginnen.

  2. Danke. Eben. Zu viel Dinge, die man einzeln evtl. vernachlässigen könnte, aber so in der Summe halt… naja.

    Warten auf das nächste Lied der dann etwas dünneren Dame, oder so.

    Nächstes Heimspiel alternativ bitte gegen Frankfurt, ohne Gästefans.
    Dann hätte man wenigstens gleich beide Fliegen… 😉

  3. Ich wäre für Frankfurt möglichst zu Beginn der Hin- und Rückrunde, das senkt das Gefahrenpotenzial.

  4. Die Kombination aus Deinem und Jekys Artikel macht die Sache rund.
    Es ist kein Nachtreten, sondern eine gut nachvollziehbare Analyse.
    Was wirklich erschreckend ist, dass bei einigen Spielern scheinbar keine Entwicklung stattgefunden hat. Da waren wir aus den Jahren vorher anderes gewöhnt. Bestimmt waren wir auch ein wenig verwöhnt.

    Die Freude auf die neue Saison ist aber jetzt schon da und sie ist groß. Das Feuer lodert bereits!

  5. @Jeky mir ist eh schon fast wieder zuviel „Gefahrenpotential“ drin, nächste Saison. Mit Dresden, Rostock, Braunschweig, (Eintracht Frankfurt) sind da ja durchaus einige Kandidaten dabei.
    Andersrum freu ich mich auf die FSV, auf Aachen, Union Berlin…

    @Paul Danke!
    Ich denke auch, dass wir gerade aus der letzten Saison auch verwöhnt waren, aber ich finde umgekehrt einfach auch, dass die Masse der sich-nicht-entwickelnden-Spieler dafür spricht, dass es nicht ausschließlich so ein „Ist jetzt überdreht und hält sich für den Profi-Gott“-Ding ist.

  6. tja und nu? Daum kann man wirklich nur hinterhertreten! Wieso hat man sich auf so nen „Schneeräumdienst“ eingelassen?

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