Irgendwann.
„Ich muss Sport machen. Ich bin zu dick. Aber Laufen ist scheiße.“
„Dann such Dir doch was, das Dir Spaß macht!“
Heute. Aus dem Wasser gesendet.
Was ist das eigentlich, „Spaß“? Ich bin im Becken, 25m Bahn, schwimmen, Luft holen, schwimmen. Warum mach ich das eigentlich?
„Ich muss Sport machen. Ich bin zu dick.“
„Warum?“
„Damit ich abnehme.“
„Warum?“
„Weil ich dann gesünder bin. Und beweglicher.“
„Und wozu?“
„Weil ich dann eine höhere Chance habe, (noch) länger zu leben.“
„Und wozu?“
„Ja…Weiß nicht. Weil ich noch… erleben will? Weil…dings.„
Was ist der…was ist mein Zweck?
Wer soll den vergeben, wenn ich nicht selber? Alles hat einen Zweck, einen Sinn, einen Nutzen. Ich geh schwimmen um Muskeln aufzubauen und mein Herz-Kreislauf-System zu aktivieren.
Ich will Muskeln aufbauen, weil so mehr Kcal verbrannt werden. Ich will mehr Kcal verbrennen um abzunehmen. Ich will abnehmen, um gesünder zu sein und beweglicher. Ich will beweglicher sein, um schneller Dinge gelöst zu kriegen. Ich will schneller Dinge lösen, damit ich mehr Dinge machen kann. Ich will mehr Dinge machen, weil irgendwie geht’s doch darum, oder?
Warum geh ich zum Fußball? Keine Ahnung. Weil es da gut ist. Warum ist es da gut? Wegen der Menschen um mich rum. Wegen Interaktion. Weil es gelegentlich ganz gut tut, etwas verbindendes zu fühlen und daran teil zu haben. Warum ist das so?
Alles hat seinen Zweck.
Aber alle Zwecke werden von außen vergeben.
Nichts hat einen inhärenten Zweck. Alles ist einfach.
Während ich darüber nachdenke fällt mir auf, dass die Menschen in meinem Leben (für mich!) keinen „Zweck“ erfüllen oder erfüllen müssen. Die sind einfach. Und gehören dazu. Das ist gut so.
Aber sobald es um mich geht, sobald ich über mein Handeln, Denken, Fühlen nachgrüble…warum? Warum Aktion, warum Reaktion, warum Gedanke, warum Gefühl?
Warum die Welt?
Ist halt passiert. Big Bang, Rahmenbedingungen, Zeit, Gravitation, Sterne, Explosionen, neue Sterne, weitere Explosionen, neue Atome, neue Sterne, Planeten, Erde, Aminosäuren, Leben, Menschen. Wir sind einfach so in die Welt gefallen. Wir werden genauso wieder gehen. Und dazwischen?
Momente.
Leben ist die Antizipation von Ereignissen, um uns später daran zu erinnern.
„Lebe für den Moment.“
Aber was ist das überhaupt, dieser Moment? Wenn ich „jetzt“ denke, wenn ich den Gedanken realisiere, ist „jetzt“ schon lange wieder vorbei. Kein „im Moment“ sondern zeitversetzt. Wir leben drei Momente in der Zukunft. Warten auf…ja, was eigentlich? Beim Schwimmen ist das klar: „Wenn ich das nächste Mal anschlage werde ich 675m geschwommen sein„.
Nicht „Im Moment habe ich 663,535498m hinter mir“. Nie. Und wenn ich das nächste Mal anschlug „Wenn ich das nächste Mal anschlage werde ich 700m geschwommen sein„. Schwimmend. Der Moment – der Anschlag ist vorbei, bevor er begann.
Selbst bei größerem. Wesentlicherem.
Ich weiß nicht, wie viel Prozent die Vorfreude und wie viel Prozent die Erinnerung ausmachen, aber ich weiß, dass sie das sind, was uns trägt.
Nicht „der Moment“.
Der Moment zerfällt zu Staub noch bevor wir ihn erreichen. Staub, der sich frisch oben auf den Berg den wir Erinnerung nennen legt, zentnerschwer bedeckt vom Staub vor dem Staub vor dem Staub.
Und wenn wir pusten, schwebt die letzte Erinnerung noch einmal kurz, bevor sie sich wieder setzt. Bevor die nächste Erinnerung, der nächste Moment sich drüberlegt. Der Berg aus Staub ist groß, schwer und mächtig. Und dunkel.
Wofür also?
Für die Erinnerung? Für den Berg.
Ich blicke selten zurück. Die Vergangenheit war, die Vergangenheit kann ich nicht ändern. Nur, was ich ändern kann ist es wert, sich damit auseinanderzusetzen. Oder? Den nächsten – vielleicht eher den fünftnächsten Moment kann ich beeinflussen. Ich kann jetzt entscheiden hier nicht mehr weiter zu schreiben. Kann entscheiden, was ich schreibe.
Oder?
Es gibt Forschung, die nahelegt, dass unsere Entscheidungen feststehen, bevor wir davon wissen.
Dass wir Entscheidungen unbewusst, vorbewusst, gefällt werden und unser Bewusstsein dann einen Narrativ erstellt. Eine Geschichte, eine Argumentation, warum wir das entschieden haben. Wenn der Schokoriegel im Einkaufswagen liegt, fällt uns ein, dass wir ja noch einen Snack für nach dem Sport brauchen so ungefähr.
Schiebt das den Moment noch weiter in die Vergangenheit? Auf einer Zeitlinie aus Antizipation, vorbewusster Entscheidung, Aktion und bewusster Auseinandersetzung – wo ist da der Moment? Wann ist der Moment? Dieser Moment?
Wir können, wenn wir wollen, jede unserer Aktionen dekonstruieren, jedes Warum fragen und beantworten. Aber sind diese Antworten immer so erstrebenswert?
„Warum?“ fragte der Bär.
„Weil es so ist.“ sagte der Baum.
„Dann ist das wohl richtig so…“ sagte der Bär.