Sibirien? Welches Sibirien?

Eigentlich wollte ich ja was darüber schreiben, dass ich bei -20° (meint jedenfalls die Hamburger Morgenpost) meine Zehen für ein Eins zu Null geopfert hatte.

Aber dann fiel mir ein, dass man sich drüben, im Lokalrivalenblog bei Pleitegeiger, wieder beschweren würde, dass ich bei ihr abschreibe.

Zitat: “ich hatte bereits 10 Zehen gegen 2 Tore getauscht”

Und strenggenommen geht’s meinen Zehen inzwischen auch wieder ganz gut. Hatte sie wohl nur verliehen für den Sieg. Übrigens mit einer insgesamt schlechteren Quote. Immerhin war es deutlich kälter und ich hab nur ein Tor für 10 Zehen bekommen. Madame bekam im Dezember ja sogar noch zwei Tore.
Aber okay, dafür sind meine Zehen ja auch wieder – siehe oben – warm. Je länger ich darüber nachdenke: Mein Deal ist der bessere. Und wenn Frau Pleitegeiger ihre Zehen inzwischen wieder hat, dann hat sie gelogen geflunkert. So!

Aber ich schweife ab. Bei also mindestens –30° (mein Auto-Thermometer sagte was von Minus 10°, aber das hat bestimmt keine Ahnung), fröstelten 17.000 St. Paulianer, darunter die Stadionbezugsgruppe mit @Jeky, @textundblog, @callmeuschi, @sparschaeler und mir, sowie 2.000 Aachener am Millerntor, während beide Teams eher schlecht als recht Fußball zelebrierten.

Die erste Hälfte mit klaren Vorteilen für St. Pauli und dem verdienten 1:0 durch Max Kruse (für das ich – siehe oben – meine Zehen verlieh). Entspannt in die Pause.

Die zweite Hälfte war dann doch sehr sibirisch, nicht nur von den Temperaturen. Das hatte was von Gulag. Jedenfalls für die Zuschauer.
St. Pauli stand hinten drin, Aachen spielte gefühlt bereits in unserem Strafraum konsequentes Pressing und bei uns sahen nur die beiden Innenverteidiger (fußballerisch) gut aus. Danke An Ralf Gunesch und Fabio Morena für drei bis fünfzehn wichtige Zweikämpfe in allerhöchster Not.

Andererseits schaffte es Aachen nicht, in unserem Strafraum von der Abwehrbewegung (Pressing) in den Angriff umzuschalten. Trotz drückender Dominanz gab es kaum brauchbare Torchancen und so blieb es am Ende zum Glück beim 1:0 für uns. Insgesamt positiv auch der Auftritt des neuen Bastian Oczipka auf der linken Abwehrseite. Sicherlich noch nicht alles Gold, was da mal mehr, mal weniger glänzte, aber das war wohl auch eher schwierig, auf dem Geläuf. „Passte sich der Mannschaftsleistung an“, könnte man sagen.

Kalt war es jedenfalls auch nach dem Spiel noch. Wobei ich ja bei meinem Standpunkt bleibe: Man kann sich auch einfach mal warm anziehen.

Und so hieß es für mich am Ende des Spiels dank Heimsieg und warmer Klamotten dann auch zurecht: Welches Sibirien meinen die eigentlich?

Übrigens: Alle die nach solchen Spielen jammern, dass man “mit so ner Leistung absteigt” oder “damit keinen Blumentopf gewinnt”. Wir HABEN mit der Leistung 3 Punkte geholt. Und kein Gegentor bekommen. Und das auf völlig unmöglichem Boden (außen geheizt, in der Mitte hat da wohl die Rasenheizung kapituliert). SO steigt man auf. Wenn man auch solche Spiele gewinnt. Zumindest eher, als wenn man die verliert.

Spitzenreiter, Spitzenreiter, Hey! Hey!

Wenns um Fußball geht, denke ich immer noch überwiegend in Großbuchstaben und Ausrufezeichen. Ich meine.. sowas hier:

FÜNF ZU NULL!!!!

Aber irgendwie trägt das keinen ganzen Blogbeitrag. Okay, ich würde mich vermutlich immer dran erinnern, was ich gemeint habe, nur ein bisschen was zu erzählen gibt es ja auch.

Mein erstes Auswärtsspiel seit ich weiß nicht wie lange. Und dann sowas. Alles fing ganz harmlos an, indem ich den Sonntagabend und den Montag damit verbrachte bei zauberhaftem Sommerwetter durch Aachen zu schlendern (und vermutlich werde ich davon auch noch ausführlicher berichten).

Dabei fielen mir dann auch direkt die ersten Dinge mit Bezug zum Spiel auf. So zum Beispiel, dass die Aachener tatsächlich der Frau Pleitegeiger die Hummel Hummel quasi abgeschaut haben.

hummel_fake

Ja, das ist das tolle Öcher Maskottchen “Al-Aix”. Sieht irgendwie sehr.. grauslig aus. Ich bin ja eh nicht so der Maskottchen-Typ, aber.. der rannte auch in groß im Stadion rum und ich fand das ganze doch eher zum wegsehen. Naja. Ich glaube den Aachenern geht es wenigstens zum Teil wohl ähnlich.

Gen Abend ging es dann langsam in Richtung neuer Tivoli, ich hatte ein Hotel direkt am Hauptbahnhof, und dachte mir dass es nicht so schwer sein sollte, das hinzubekommen. Falsch gedacht. Am Busbahnhof mußte ich drei Aachen-Fans nacheinander fragen, um herauszubekommen, das keiner wußte, wie genau es zum Tivoli geht. Spannend, weil die alle mit dem Bus dahin wollten. Naja, ging dann doch irgendwie. Was auffiel war, mit wie viel Respekt die busfahrende Aachenmeute von St. Pauli sprach. Die meisten spekulierten darauf, dass entweder Lehmann oder Ebbers das erste Tor am neuen Tivoli schießen würden. Für uns.

Optimismus geht anders. Andererseits hatten sie ja recht, Ebbers schoß ja sogar die beiden ersten Tore dort.

Apropos neuer Tivoli… bei der ersten Annährung hat das ganze schon arg was von Parkhaus.

parkhaus_tivoli

Und auch wenn man reinwill. Als Gästefan darf man vom Parkplatz durch den gemütlichen Tunnel da rechts unten. Übrigens auch, wenn man von der Bushaltestelle vor dem Stadion kommt. Also von vor dem Stadion einmal gaaaanz ums Stadion rum, dann ungefähr 200 Meter den Weg entlang zum Parkplatz, dann 200 Meter vom Parkplatz – jetzt hinter dem Zaun – zurück, dann durch die Kontrolle, dann durch den Tunnel, und dann ist man wieder ungefähr dort, wo man vor 10 Minuten schon vorbeigegangen ist. Also ungefähr.

Die Eröffnungsfeier selbst war… eine “offzielle Feier”. Entsprechend langweilig fand ich das ganze. Endlose Interviews mit Leuten, die mir nix sagte. Ich hoffe mal, die Aachener Fans hatten mehr davon.

Das Spiel selbst war – siehe oben – einfach genial. 20 Minuten Abtasten, 20 Minuten (vier!) Tore schießen, 5 Minuten erstaunt sein. Pause. Eine Halbzeit feiern und kurz vor Schluss für Rouven Hennings freuen, dass er endlich mal das Tor trifft. Und singen. Viel singen.

spiel_am_tivoli

Und ich war wirklich erstaunt, wie gut St. Pauli Fußball spielte. Ja, am Anfang gab es zwei recht dicke Chancen für die Aachener, die Hain entschärfte, aber St. Pauli spielte mit. Man hatte fast immer den Eindruck, dass jeder Pass überlegt war, dass die Spieler immer versuchten, nicht nur den Ball los zu werden, sondern tatsächlich schnell und direkt zu einer guten Offensivaktion zu kommen. Okay, nach den Toren lief der Ball dann natürlich sowieso wie von selbst. Für mich besonders auffällig: Die Mannschaft spielt unglaublich variabel. Naki, auf Links angefangen stand plötzlich rechts außen. Thorandt, eigentlich Abwehrspieler, plötzlich im offensiven Mittelfeld, während Lehmann hinten blieb.  Toll. Tolltoll! Wenn das so weitergeht, kann das eine wirklich schöne Saison werden.

Großartig auch, wie wir am Ende der Halbzeitpause anfingen auf die Situation angepasst zu singen. Wer auch immer sich den Song auf die Schnelle ausgedacht hat: Danke!

Alemanniaaaaa!
Ihr verliert, das ist doch klar!
Hier am Tivoliiii
siegt der FC St. Pauli

keine Ahnung, was die Melodie darunter war, aber es war genau das richtige Lied zum richtigen Zeitpunkt.

Und jetzt sind wir Spitzenreiter.
Zweiter Spieltag, zweite Bundesliga, erster Platz: FC St. Pauli.
Alle bisher möglichen Punkte geholt. Und dann dieses Torverhältnis!
Von mir aus könnte die Saison schon vorbei sein. Dann dürfte ich auch das A-Wort in den Mund nehmen, ohne mit sozialen Konsequenzen der anderne Südkurventwitterer rechnen zu müssen. Samstag geht’s weiter gegen Duisburg. Ich bin jetzt schon ganz hibbelig.