Ich schäme mich dann mal pflichtschuldig

Jetzt mal ohne Scherz, aber ich schäme mich.

Ich weiß gerade nicht richtig wofür, aber ich bin ja typischer Deutscher St. Pauli-Fan und mach dann das, was wir halt so reflexartig machen…

Dass Hansa Rostock für das kommende Spiel bei uns nur 500 Sitzplatzkarten bekam, hatte ich ja bereits berichtet. Heute haben die Rostocker dann – wohl auf Wunsch “der Fans” (übrigens finde ich es bei denen ungefähr genauso lustig, wie bei uns, dass es eine Gruppe gibt, die für “die Fans” spricht.. naja) mit einer Erklärung reagiert, und wollen nun genau 7 Tickets verkaufen.

Da muss man natürlich erst mal Respekt zollen. Hansa Rostock als Turm im Kampf gegen die Aushöhlung von Fanrechten. Quasi als Speerspitze der Fußballdemokratie.

Bin ich der einzige der das ganze bigott findet?

Erinnert sich noch jemand an lustige Puppen, die aus der Fankurve geschmissen wurden, als Anspielung auf den in Aachen gestürzten St. Pauli-Fan? An ausländerfeindliche Sprüche? An diverse Aktionen in den letzten Jahren? Daran, dass die Rostocker gerade vor knapp 3 Wochen Ihr Stadion zu stürmen versuchten?

Und jetzt lesen wir mal die Erklärung der Rostocker genauer. Schauen uns mal an, wo die bekanntgegebenen Gründe für diesen Rückzug liegen:

Dem F.C. Hansa Rostock war bewusst, dass die Nachfrage das Angebot – selbst bei 1400 Karten – übersteigt. Die nun durch die Polizei verfügten 500 personalisierten Sitzplatz-Karten sind für den F.C. Hansa nicht hinnehmbar. Eine gerechte Verteilung ist nicht möglich.

Aha, bei 1.400 Karten wäre eine “gerechte Verteilung” also noch möglich gewesen, bei 500 nicht mehr? Was ist denn eine gerechte Verteilung? Naja, weiter geht’s, man schließt Vorfälle nicht aus, auch nicht von den eigenen Anhängern.. und

Diese könnten einen materiellen Schaden (Strafen) nach sich ziehen, der die Existenz des Vereins gefährdet. Ein eventuelles Geisterspiel in Rostock wäre der finanzielle Kollaps für den F.C. Hansa Rostock.

Finde ich vor dem Hintergrund aktueller Urteile des Sportgerichts gegen die Kölner und Nürnberger natürlich sehr nachvollziehbar. Offenbar hat sich der DFB dazu entschieden, Gewalttaten im Stadion stärker zu sanktionieren. Offenbar werden dabei zunehmend die verursachenden Vereine versucht zu bestrafen. Wäre ich Hansa Rostock, ich hätte mir auch mehrfach überlegt, wie hoch das Risiko einer Strafe ist und ob ich das eingehen wollte.

Aber wo werden da “Fanrechte” geschützt? Wo handelt man auf einer auch nur moralisch zu nennenden Basis?

Zum Thema “Fanrechte” übrigens sehr lesenswert der Artikel zum Thema, drüben bei Frau Jekylla. Besonders auch der hervorragende Kommentar von Frau Kiki unter demselben Beitrag. Weiterhin dieser Kommentar von Frau Kiki hier im Blog. Nur mal zum Nachdenken.

Weiter im Text

Vielmehr brauchen wir eine deutschlandweite Diskussion mit allen Beteiligten (Verein, Fans, Polizei). Credo: Kommunikation statt Konfrontation

denn man hat kein genuin eigenes Problem mit der Stadion-Klientel vor Ort, sondern man hat ein deutschlandweites. Es ist ja nun auch nicht so, dass das Spiel Rostocks bei St. Pauli irgendwie besonders wäre, oder dass Rostocker Anhänger vielleicht ein klitzekleines bisschen häufiger negativ aufgefallen wären, als sagen wir Mainzer oder Frankfurter… Neee. Niemals.

Naja, jetzt kommen also sieben Vertreter Rostocks ans Millerntor. Sozusagen die drei heiligen Könige der Bundesliga. Die Gralshüter der Fußballfairness.

Mehr Platz für Heimfans, sag ich mal so platt.

Hätten Karlsruhe oder Aachen die Tickets zurück geschickt, hätten sich alle über mehr Kapazitäten gefreut. Aber wenn man das macht, weil die Rostocker Angst vor ihren eigenen Fans (und deren Ausschreitungspotential) haben, geht das nicht. Jetzt schämen wir uns also alle für unser Präsidium, dass völlig normal (will sagen: Professionell) vorgeht und die freigewordenen Kapazitäten anderweitig (also für unsere Fans) nutzt und jetzt immerhin noch mal 1.000 Tickets an St. Pauli-Fans verkaufen will.

Immerhin herrscht die Angst, dass  St. Pauli-Fans bald vielleicht auch ne Auswärtsblocksperre kriegen. Woher kommt die eigentlich? Warum glaubt man, dass wir – anders als vielleicht Mainz oder Freiburg – davon bedroht sind?

Ach ja, weil die böse Polizei und der ähnlich böse DFB uns nicht leiden kann.
Der generell friedliche St. Pauli-Fan tut ja nichts böses. Niemals.

Also prügeln wir erst mal munter weiter auf unser (sicher nicht fehlerloses) Präsidium ein, denn da spart man sich den reflektierten Blick nach innen. Spart sich das Nachdenken über die eigene Perspektive. Und wo wir grad am prügeln sind, schlagen wir auch noch munter auf diejenigen ein, die die eigene Meinung nicht teilen. Die sich möglicherweise noch freuen, jetzt doch noch ne Chance haben, ins Stadion zu kommen.

Prügeln auf diejenigen ein, die Vielleicht aufgrund einer anderen Perspektive eine andere Einstellung haben. Aufgrund anderer Werte. Anderer Vorstellungen.

Toleranz.

Die schreibt sich der FC St. Pauli ja so groß auf seine Fahnen.

Toleranz leben wir aber lieber nur dort, wo wir sie für uns in Anspruch nehmen. Niemals gegenüber anderen. Das wäre zu anstrengend.

Wir sind nämlich so anders.

Ich geh mich mal schämen. Aus Prinzip und so. Wofür, überlege ich mir noch mal.

Edit und PS:

Übrigens  sehr bezeichnend der letzte Absatz der Erklärung der Rostocker:

Der F.C. Hansa Rostock bittet alle Hansa-Fans, am Sonntag nicht nach Hamburg zu fahren.

Klar, logisch, sieht ja jeder: Hier geht’s um die Fanrechte, gell? Nur darum!

Unschuldsvermutung

„Jeder Mensch, der einer strafbaren Handlung beschuldigt wird, ist solange als unschuldig anzusehen, bis seine Schuld in einem öffentlichen Verfahren, in dem alle für seine Verteidigung nötigen Voraussetzungen gewährleistet waren, gemäß dem Gesetz nachgewiesen ist.“ (Wikipedia)

Tja. So ist das wohl. Eigentlich. Und natürlich haben diejenigen recht, die sagen, dass von dieser (leider) immer häufiger abgewichen wird. Und natürlich gibt es daran sehr viel berechtigte Kritik.

Nachdem die Polizei Hamburg eine klare „Null-Lösung (keine Gästefans) favorisiert hatte, erreichte der FC St. Pauli einen Konsens und einigte sich mit der Polizei auf folgendes Szenario:

  • Die Gastmannschaft Hansa Rostock erhält keine Stehplatzkarten.
  • Für die Nordtribüne Block N 5 im St. Pauli Stadion werden Hansa Rostock bis zu 500 Sitzplatzkarten zum personifizierten Verkauf, also gegen Vorlage von Personalpapieren, zur Verfügung gestellt.
  • Bei Einlass am Spieltag werden die Karteninhaber hinsichtlich der Rechtmäßigkeit des Erwerbs überprüft.
  • Die durch den limitierten Verkauf frei bleibenden Plätze dienen als Pufferzone zwischen den rivalisierenden Fanblöcken
  • (FC St. Pauli)

Der Zusammenhang könnte klar werden: Aufgrund der Ausschreitungen und Vorfälle in den letzten (eigentlich wohl in allen bisherigen) Spielen der beiden Vereine gegeneinander wird die Unschuldsvermutung eingeschränkt. Man geht eben nicht davon aus, dass die Gästefans – also die Rostocker – “unschuldig” sind, sondern gibt Ihnen vor einem möglichen Vergehen die Schuld.

Soweit, so möglicherweise trivial und entsprechend kritikwürdig.

Die Angst vieler, dass es zu einer immer weiteren Einschränkung von “Fanrechten” kommt, dass dies nur der Anfang ist, hängt damit natürlich zusammen. Dass dies ein weiterer Schritt ist, Auswärtsfans ganz zu vermeiden. Paranoia? Möglich.

Fakt ist, dass Fußballfans (dies trifft allerdings auch für andere Gruppen zu) schon lange außerhalb der Unschuldsvermutung leben. Eskorten zum und vom Stadion, im Block bleiben müssen, bis die Abwege frei von gegnerischen Fans sind, strikte Fantrennung. Alles Eingriffe in den Alltag, die sich nur durch die Abweichung von der Unschuldsvermutung erklären lassen. Wären wir ad hoc alle unschuldig, müsste man uns nämlich nicht regulieren.

Ehrlicherweise, muss man “uns” jedoch regulieren. Uns Fußballfans als große, heterogene Gruppe. Klar, werden viele aufschreien, “mich doch nicht, ich will mich ja nicht prügeln”, aber dass es – wohl bei jedem Verein – genug Idioten gibt, die genau das wollen, deren persönliche Hemmschwelle so niedrig ist, deren Gewaltpotential so hoch, wird wohl niemand abstreiten.

Was also tun? Unreguliert laufen lassen? Das Grundrecht der Unschuldsvermutung würde dies wohl so verlangen.

Wo macht man den Schnitt?

Wo sagt man “dieser Einschnitt ist nachvollziehbar und sinnvoll, dieser nicht mehr”?

Ich kann nachvollziehen, dass man (Die Polizei, die Vereine, der Staat, wer auch immer) etwas anderes versuchen will und muss, um Verbrechen zu verhindern. Dies geht leider nur mit Einschränkungen der Unschuldsvermutung. Ob es sinnvoll ist, das Kartenkontingent zu limitieren, oder ob jetzt 1.000 gewaltbereite Rostocker nach Hamburg kommen, nur um sich zu prügeln? Ich kann es nicht beurteilen. Wir werden es erleben.

Ich kann nicht sagen, inwiefern diese Einschränkung schlimmer ist, als andere Einschränkungen. Wahrlich nicht.

Aber: Wer jetzt aufschreit, sollte doch bitte nochmal global schauen, was dazu geführt hat. Unabhängig von Recht oder Unrecht.

St. Pauli-Fans, die in Rostock mit Bengalos auf Ordner schmeissen. Hertha-Fans, die den Platz stürmen. Nürnberger, die Ihren Block abfackeln. St. Pauli-Fans, die mit Feuerzeugen und Bierbechern auf Schiedsrichter, Ordner, Spieler werfen. HSV-Fans, die irgendwo auf dem Weg zum Auswärtsspiel einen Bahnhof verwüsten.

Ein kleiner Ausschnitt, aus dem, was “man” so mitbekommt. Und ein Ausschnitt aus dem, was jeden Spieltag wieder relativiert wird.

Wenn ich mich im St. Pauli-Forum umgucke, und sehe wie viele da den Standpunkt haben, dass ein “Feuerzeugwurf ja nicht so schlimm” wäre. Dass sowas “im Eifer des Gefechts” halt mal passiere. Hallo?!

Wenn Bengalos legal wäre, wäre das ja nicht passiert (Bezug: Nürnberg). Aha?

Wir alle wissen was wir nicht dürfen. Wir alle. Und wer es nicht weiß, sollte sich schleunigst informieren. Mein Eindruck ist sogar, dass viele es machen, weil es nicht erlaubt ist. Gerade um sich gegen etwas zu positionieren.

Und sich dann wundern, wenn es eine Reaktion gibt?

Selbstkontrolle, wollen wir zeigen. Aber wo ist die Selbstkontrolle? Wo ist das funktionierende Konzept von Fans, das Fans und unbeteiligte vor den Idioten schützt?

Wir, wir St. Pauli- und Rostock-Fans schaffen es seit fast 20 Jahren nicht, ein Konzept vorzulegen, mit dem die Sicherheit der Beteiligten gewährleistet wird. Aber sich beschweren, dass jetzt andere sich damit auseinandersetzen? Noch mal ein eigenes Konzept vorlegen?

Ja, ich sehe ein Ungleichgewicht zwischen beiden Fangruppen, ich halte die Rostocker für “schlimmer”, aber darum geht es gar nicht. Ich glaube, dass ‘wir’ St. Pauli-Fans weniger Mist machen. Aber wir machen Mist. Als Gruppe. Nicht als einzelner.

Und viele aus dieser Gruppe verstehen nicht einmal den Sinn, warum man die Mistmacher persönlich zur Rechenschaft ziehen sollte. Solidarität geht einigen scheinbar über alles.

Nur: Gerade wer diese Solidarität fordert, sollte sich noch weniger darüber wundern, wenn er dann auch in Haftung genommen wird.

Wer fordert, die aktuellen Sanktionen in einen größeren Gesamtzusammenhang zu stellen, muss damit rechnen, dass auch einzelne Aktionen von Fans in einem größerem Zusammenhang gesehen werden.

Ich kann nicht final sagen, wo ich welche Einschnitte in welche Rechte am Ende noch zu rechtfertigen finde, aber ich kann nachvollziehen, dass dieser gemacht wurde.

Eine wirkliche Bewertung geht – für mich – eben nur hinterher.

Ich unterstelle aber – sogar der hamburger Polizei – zunächst mal Motive, die ich mittragen kann. Wahrung der Sicherheit. Und das geht – leider – oft nur mit einschnitten.

Sonst dürfte ich – blöde gesagt – auch bewaffnet durch die Straßen laufen (hier greift ja quasi auch die Unschuldsvermutung, solang ich niemanden erschieße, bin ich unschuldig).

Äpfel mit Birnen? Vielleicht, aber ich hoffe es wird klar, was ich meine.

Und nun los. Zerlegt mich.

Kein-Saisonkarte-Kein-Heimsieg-Wochenende

Nachdem das ganze etwas gesackt ist, äußere ich mich dann auch mal (zu spät?) zum letzten Fußballwochenende. Den Anfang machte das samstägliche Anstehen für die neue Saisonkarte. Warum das so ist steht zum einen bei den das ganze organisierenden Ultras, an sonsten kann man aber auch hier nachlesen, wie es mir letzte Saison erging.

Schlangestehen.

Eigentlich ließ sich der Tag recht gut an, nach dem Treffen mit der Bezugsgruppe gegen kurz vor 10, schlurften wir inklusive des von Frau Jekylla und mir bestückten und von Herrn Sparschäler zusammengebauten Grill-Bollerwagens rüber zum Millerntor und reihten uns in die Schlange ein. Das Ende der Schlange, also zu dem Zeitpunkt unsere Position, war zwar schon recht weit hinten, aber vorsichtige Schätzungen der Menschenmenge vor uns führten zu Zahlen um die 1.600 oder 1.800 Personen, auch da die Schlange noch sehr entspannt mit großem Abstand zwischen den einzelnen stand, und zudem meist maximal 2 Personen breit war.

Für Ortskundige: Die Schlange ging vom Eingang ins Clubheim in der Südkurve über den Vorplatz um das T-Com-Gebäude herum bis zur Gegengerade, wir standen zu Beginn etwa auf Höhe der Strafraumgrenze Süd.

Auf Höhe des T-Com-Gebäudes fingen wir dann an den Grill vorzuheizen. Würste, Fleisch und Nudelsalat wurden gereicht. Ein kurzer Besuch des Hof-Fotografen wurde noch von Jubel begleitet. Langsam und inzwischen gesättigt ging es voran. Gegen ca. 14:00 Uhr erreichten wir die Ecke zum Südkurvenvorplatz, gegen ca. 15:00 Uhr standen wir noch ca. 25 Meter vom Clubheim, in dem es die begehrten Karten gibt, entfernt.

Ungefähr jetzt fing die schlechte Laune an. Durchsage, dass alle Karten vergriffen sein. Entsetztes Schweigen. Frustriertes Zusammenpacken der eigenen Sachen. Heimfahrt. Ich ignorierte für den Rest des Tages alles zu diesem Thema und versuchte mich in brauchbarer Laune.

Schön, als ich dann am Sonntag am Treffpunkt zum Heimspiel gegen die Arminia aus Bielefeld stand und mir erzählen ließ, dass wohl ca. 300 bis 700 Personen sich nachträglich in die Schlange integriert hätten. Klar. Man kann sich vorne zu Freunden und Bekannten stellen. Reicht ja, wenn einer den Platz freihält. Ich persönlich hab zwar nichts beobachten können, stand ja eher weiter hinten, aber die Menge derjenigen, die sowas beobachtet haben, spricht dafür, dass die Schätzungen nicht aus der Luft kommen. Toll. Das ist mein St. Pauli. Nicht. Wobei das kein St. Pauli-Phänomen ist, aber das nur am Rande.

Fußball.

Naja, mit entsprechend geladener Stimmung ging’s dann ins Stadion. Das von USP genutzte Wörtchen “Schnarchnasen”, im Bezug auf Support der nicht ihren Vorstellungen entspricht, waberte durch die Luft, die Enttäuschten, zu denen ja auch ich und meine Bezugsgruppe gehörten, waren naturgemäß immer noch traurig, dass sie nächste Saison die Kurve wohl überwiegend von außen sehen würden. Das Spiel tat dann ein übriges dazu, die Laune nicht besser werden zu lassen. Die erste Hälfte war weitgehend zu träge, zu wenig dynamisch, um zu begeistern. Dazu das ärgerliche, aber nicht unverdiente Tor der Gäste… Naja.

Nach dem Wiederanpfiff dann mehr Power, mehr Drängen auf das Tor der Bielefelder, leider ohne Erfolg. Im Moment ist eben auch Fußballerisch der Wurm drin. Hmpf.

Was bleibt? Ein 0:1 nach Neunzig Minuten.Ein nur noch dritter Tabellenplatz (stand heute: Relegation gegen Nürnberg). Ein irgendwie – wenigstens offensiv – im Moment verunsichert wirkendes Team. Zwei Sperren (Lechner und Lehmann) für das Spiel in München.

Nachwehen.

Irgendwie nervt mich das Ticketing bei St. Pauli ja ungefähr, seitdem ich meine erste Dauerkarte hatte. Das war in den frühen Neunzigern, müsste 1991 gewesen sein. Damals war die Dauerkarte noch ein Stück Din A 6 Pappe, mit ein paar abzuknipsenden Feldern am Rand. Irgendwann später gab es dann eine Maschine, die das ganze laminierte, was der Haltbarkeit diente. Das Ding wurde kleiner, und seit sowas wie 4 Jahren gibt es jetzt tatsächlich Scheckkartengroße Plastikkärtchen. Seit 4 Jahren passt die Dauerkarte ins Portemonnaie.

Dass es seit ca. 15 Jahren das Internet gibt, ist am Verein dagegen vorbeigezogen. Online-Service? Fehlanzeige. Während man beim anderen hamburger Verein sein Vorkaufsrecht online ausüben kann, muss man bei uns persönlich vorbeischauen. Während man nebenan sein Eintrittsrecht per Dauerkarte für nicht besuchte Spiele weiterverkaufen kann, online, ohne dass man die Karte weitergeben muss, gibt es bei uns nur die AFM-Ticketbörse.

Bei uns gibt es 600 Südkurven-Karten für jedes Heimspiel. Im freien Verkauf. Wie bekommt man die? Anstehen. Wir sind ja sooo anders. Aber anders ist ja nicht immer und zwingend toll.

Okay, das Problem “weniger Karten als Interessenten” behebt man damit natürlich auch nicht, aber man würde sich trotzdem einiges an Generve ersparen.

Und sonst so?

Drüben bei Santapauli gibt’s gerade eine sehr persönliche Abrechnung mit dem FC St. Pauli. auch sonst hab ich in den letzten Tagen vieles Gelesen, was den Tenor hatte “dafür geh ich nicht dahin”. Ich weiß ja nicht so recht.

Warum geh ich eigentlich zum FC St. Pauli? Weil ich Fan bin. Was macht für mich das Fan sein aus? Hm, nennen wir es mal Liebe zum Verein. Natürlich kann sich die verändern, oder man entliebt sich irgendwann. Aber deshalb? Wer aufmerksam im Stadion stand hat schon Anfang der Neunziger mehr Idioten als Vernünftige vorgefunden. Mehr betrunkene, gewaltbereite, homophobe, als einem lieb sein konnte.

Tolerant, liberal, weltoffen waren immer nur einige. Ja, es war früher ein Kontrast zu den Nazispinnern in einigen anderen Stadien, ja, es gibt auch heute noch Dinge, die uns abheben. Aber zu mindestens 90% sind und waren wir immer schon ein ganz normaler Verein. Kult? Kult. Ein Label. Mehr nicht. Und selbst bei den “Besserfans” existiert schon seit damals ein für mich zum Teil unerträglicher Linksdogmatismus. Toleranz, die nur dann gelebt wird, wenn sie auf etwas trifft, dass in das eigene Wertebild integrierbar ist.

Beispiel gefällig?

Bei Kiki in die Kommentare linsen. Wer Golf spielt ist automatisch FDP-Wähler, wer FDP wählt hat automatisch nichts im Stadion verloren. Danke. Selbstentlarvend, irgendwie.

Leider bleibt das nicht bei Einzelpersonen stehen. Wer sich die “Südkurve” durchliest, das Organ mit dem die Fans auf derselben über anstehendes und vergangenes informiert werden, bekommt den Eindruck, es mit einem elitären, abgehobenen Haufen zu tun zu haben. Wer nicht 90 Minuten das singt, was man vorgibt, ist eine – siehe oben – Schnarchnase. Folge unserem Vorbild, oder verlasse die Kurve. Steht da so, oder so ähnlich.

Dass die Südkurve eine Supportkurve sein soll, tragen glaube ich alle. Aber dass inzwischen größere Gruppen versuchen auch noch die Art des Supports vorzuschreiben, na danke. Das ist (leider) mein St. Pauli.

Schuldzuweisung

Irgendwer ist natürlich immer Schuld. Wir sind Schuld, dass wir keine Karte bekommen haben, weil wir schlicht zu spät waren. Weil wir den Andrang unterschätzten. First come, first Serve. Soweit, so in Ordnung (und trotzdem doof).

Ist USP schuld? Ich meine nicht. USP ist in der Position, in die sie der Verein gehoben hat. Verhält sich so, wie sie aus Sicht der Gruppe halt handeln wollen. Tun das, was ihnen am besten erscheint. Klar kann man jetzt sagen, dass die Schlange hätte reguliert werden sollen, aber.. ist das USPs Schuld?

Für mich ist der Verein selbst schuld. Wer zum einen die absurde Idee hat, dass der Verkauf durch die Fans sinnvoll reguliert werden kann, wer zum anderen nicht mal annähernd selbst regulierend eingreift.. Naja. Die “Südkurve” wird man auch beim Verein lesen können. Und entsprechend auch den Tonfall. Ich verlange keine Zensur, aber dass man dann mal darüber nachdenkt, wen man hier zum Kartenverwalter gemacht hat, wäre nicht zu viel verlangt.

Siehe oben: Modernes Ticketing würde einige, aber nicht alle Probleme verringern. Kluger Umgang mit der Situation sicherlich auch. Aber solange bei uns die Eintrittskarten noch gelocht werden, und es keine Lesegeräte gibt, bleibt vieles davon wohl Utopie.

Und jetzt?

Tja. Einen Plan B gibt es nicht so wirklich, bisher. Ab und zu mal das 600er Kontingent abgreifen? Ab und zu irgendwie anders ins Stadion? Oder doch nen Sitzplatz? Allein, ohne Bezugsgruppe? Ich weiß es nicht. Während Erik überlegt, ob er doch als Sponsor einsteigt, fehlt mir noch ne Idee. Aber bis die Karten verkauft werden ,ist ja auch Sommer.

Ich geb übrigens hier nochmal offiziell eine Prognose ab: Sollte St. Pauli nicht aufsteigen, wird es im Sommer verdammt viele Saisonkarten für die Südkurve bei Ebay geben. Alternativ viele leere Plätze.

Naja. Eigentlich wollte ich eh immer wieder zurück in die Gegengerade. Ich hab zwar keine Ahnung, wie ich das realisiert bekomme, aber vielleicht sollte ich mal anfangen dafür Pläne zu schmieden. Im Optimalfall mit der Bezugsgruppe.

Und jetzt! Fußball. Auwärts bei 1860 München. Gewinnen. Würde mich zumindest auf dem Platz wieder etwas fröhlicher stimmen.