Chronistenpflicht

Ich weiß, es ist Donnerstag und das Spiel war am Sonntag. Aber irgendwie wollte ich dazu eigentlich nix mehr sagen. Eigentlich hatte ich keine Lust, mich nochmal damit zu befassen. Naja, inzwischen ist es ja lang genug her.

Von meinen Freunden die sich dem St. Ellinger Fußballclub verbunden fühlen habe ich eine gewisse Abneigung gegen Grün-Weiß geerbt. Fürth spielt ja auch in dieser Farbwelt und von daher mußte eigentlich schief gehen.
Aber irgendwie war Fürth nicht das eigentliche Problem. Klar, sie standen halbwegs sicher, aber wenn St. Pauli auch nur annährend in normaler Form gespielt hätte, in der Koblenz-Union-Berlin-Form, hätten wir die irgendwo zwischen 3:0 und 5:1 nach Hause geschickt. Haben wir aber nicht.

Das Spiel in Kurz:
Grottenfußball, langweilig, trotzdem 1:0 kurz vor der Pause, Jubel, 2:0 nach 60 Minuten, Jubel, Gegentor, fluchen über den gebrochenen 3-Tribünen ohne Gegentor-Zauber, Konter, 3:1, Jubeln mit der Mannschaft, Abseitspfiff 2:1, die Mannschaft ist gedanklich noch weniger im Bilde als die Fans, Gegenkonter, Tor, 2:2, entgeisterte Blicke, schockierte Gesichter, Abpfiff.

Stani hat sich zurecht darüber beschwert, WIE unsere einzige Lieblingsmannschaft aufgetreten ist. Und ich bin immer noch begeistert, wie offen er auch negatives Anspricht. Wie habe ich Trainer immer gehasst, die entweder dem Schiedsrichter, dem Publikum, dem Rasen oder der Farbe des Himmels die Schuld gaben, aber nie dazu standen, dass ihr Team einfach mal scheiße gespielt hat (erinnert sich jemand noch an Frank „Der Schiri ist schuld“ Pagelsdorf oder Thomas „wir haben toll gespielt und unverdient verloren“ Doll?).

Abhaken, so Spiele gibt’s, und wer kann es den Spielern verdenken, nach der Beeindruckenden Rückrunde mal zu selbstsicher aufzutreten. Ich bin davon überzeugt, dass das Trainerteam ihnen den Kopf waschen wird, und dann wird das auch wieder besser. Das positive ist ja, dass sie direkt gemerkt haben sollten, dass es mit Hurrafußball und ohne System eben nicht funktioniert. Freu mich also auf das letzte Hinrundenspiel in Paderborn und bin optimistisch, dass die Rückrunde ähnlich viel Freude bereiten wird, wie die Hinrunde.

Das zum Fußball.

Ach ja.. und dann noch zu denen, die meinen, man müsste irgendwelche Menschen mit Feuerzeugen oder Bierbechern oder sonstwas bewerfen:

Geht sterben.

Ich kann mich nicht entscheiden, was mich mehr aufgeregt hat, die Vollidioten, die nach dem Spiel Richtung Spielertunnel geworfen haben, oder die Vollidioten, die das zwar doof fanden, aber es mit Sätzen wie “Stimmt, gegen Fürth geht sowas gar nicht” relativieren. Übrigens diejenigen, die sich auch immer noch für was besseres halten, alls “die”. Das geht auch nicht gegen Rostock, nichtmal, wenn die brutal rumgrätschen. Und nein, es ist auch nicht besonders Schlimm, dass Thomas Meggle am Kopf getroffen wurde, es ist genauso schlimm, wenn das größte Arschloch des Gegners getroffen wird. Und mir kann auch keiner erzählen, dass sowas ja “aus dem Impuls heraus entschuldbar ist”. Nö. Nicht. Gar nicht. Wer sich da schon nicht im Griff hat, sollte evtl. doch mal nen Therapeuten aufsuchen.

Oder was macht ihr bei den richtigen Enttäuschungen des Lebens? Schonmal die Freundin zusammengeschlagen, weil sie mit euch Schluß gemacht hat?

Nur weil es ein Fußballstadion ist, heißt das noch lange nicht, dass man alle Hemmungen fallen lassen darf, kann oder gar sollte.

Geht sterben.

In anderthalb Jahren…

Was soll man als daheimgebliebener da noch groß schreiben? Wieder auswärts, wieder gewonnen, und wieder mal ziemlich souverän.

5:1.

Nach 2:0 zur Pause, 5:0 Führung und Gegentor kurz vor Schluß. Also völlig entspannt. Das ist echt nicht mehr mein St. Pauli. Aber das ist gut so.

Na gut, breites Grinsen nach Auswärtsspielen ist man ja fast schon gewöhnt in dieser Saison, so seltsam sich das auch anfühlt. Aber mein besonderes Highlight kam dank AFM Radio aus der Fankurve. Das Europapokal-Lied mal schnell umgedichtet:

In anderthalb Jahrn. In anderthalb Jahrn. In anderthalb Jahrn. Europapokaaaaaaal!

Man darf ja träumen. Aber erstmal stehen zur Hundertjahrfeier im nächsten Sommer hoffentlich immer noch mindestens 16 Teams in der Tabelle hinter uns. Aber ich bin optimistisch. Bielefeld hat gestern bereits vergeigt, so dass der Abstand zu Platz 3 (der immerhin noch Relegation hieße) jetzt 4 Zähler beträgt. Dieses Jahr spielen wir noch gegen Fürth, die gerade 11. sind, und in Paderborn, die sind immerhin 8.

Aber im Prinzip beides Gegner, gegen die man was machen kann. Das fühlt sich gerade ganz gewaltig wie ein Überwintern auf Platz 2 an.

Ich sing also noch ein bisschen vor mich hin und freu mich über den Auswärtssieg in Koblenz. Vielleicht gibts ja wirklich In anderthalb Jahrn. In anderthalb Jahrn. In anderthalb Jahrn. Europapokaaaaaaal!

FC St. Pauli – Genutzte Potentiale

Achtung, Zahlensalat:

Ab und zu überkommt mich ja auch ein Statistikflash. Nicht so richtig heftig, aber.. hey, ich mach das beruflich und im Prinzip liebe ich Statistiken. Nur sind Tabellen etwas, dass ich euch eigentlich nicht zumuten mag, genausowenig wie ich sie meinen Kunden zumuten möchte (Ausnahmen wie eine Tabelle auf der St. Pauli Tabellenführer ist, zählen nicht!).

Trotzdem können Statistiken natürlich spannend sein. Zum Beispiel um die Arbeit des Trainerteams zu beurteilen, oder einfach um die Qualität des Spiels, dass uns der magische FC präsentiert einzuordnen.

Ich hab mir nach dem 14. Spieltag mal die Kickernoten für die aktuelle Saison und die vorherige Saison (da die Gesamtbewertung) angeguckt.
Sicher, die sind nicht das Ei des (Fußball-)Kolumbus, aber die dahinterliegende Systematik, die Notengeber etc. dürften sich nicht wirklich geändert haben. Von daher sozusagen eine stabile Verzerrung.

Na, jedenfalls, wenn man sich die Zahlen anguckt, sieht man ein paar interessante Dinge.

  1. Uns haben keine Leistungsträger verlassen. Die Noten der Abgänge waren nicht wesentlich besser, als die der verbliebenen Spieler (Auch wenn das subjektiv (auch von mir) so empfunden wurde).
  2. Die Neuzugänge haben schon letzte Saison deutlich besser gespielt, als die Spieler des FC St. Pauli.
  3. Nur ein Spieler (Florian Lechner) hat sich im Saisonvergleich geringfügig verschlechtert.
  4. Die Bestandsspieler haben sich deutlich verbessert.
    Im Mittel um fast eine halbe Note.
  5. Auch die Neuzugänge haben sich verbessert.
  6. Fünf Spieler haben sich deutlich (das heißt um mehr als eine halbe Note) gesteigert.
    Dabei herausragend: Marius Ebbers, Fabio Morena und Markus Thorandt, die jeweils eine ganze Note besser geworden sind. Florian Bruns und Matthias Lehmann haben sich zudem ebenfalls deutlich verbessert.
  7. Und schließlich: Die Gesamtmannschaft dieser Saison ist eine halbe Note stärker, als das Team von 2008/09.

Unser Trainerteam muß also einen ziemlich guten Job machen. Ich weiß nicht, was mich mehr beeindruckt. Dass die Neuen noch besser wurden, oder die enorme Steigerung der Alten. Und klar, das spielt auch alles zusammen. Die Mannschaft spielt insgesamt besser, da können die Spieler dann natürlich auch mitwachsen. Aber am Ende stehen diverse Spieler, die ihr Potential diese Saison (deutlich) besser nutzen, als in der davor. Respekt!

Mein persönlicher Held ist übrigens Fabio Morena. Den haben in der Sommerpause ja fast alle abgeschrieben, von zu langsam über zu alt bis allgemein zu schlecht. Jedenfalls ist Fabio jetzt mit 2,86 der Zehntbeste Spieler der gesamten zweiten Liga! (Matthias Lehmann übrigens derzeit zweiter, Marius Ebbers fünfter und Deniz Naki 13.).

Wie auch immer, wir stehen offenbar zurecht da oben. Das macht mich sehr optimistisch für die Zukunft. Mal gucken, was die Saison noch bringt, aber einige schöne Spiele bestimmt. Ich freu mich!

In Zahlen

1 Die verbliebenen Spieler hatten 2008 im Mittel eine Note von 3,7, die Abgänge 3,6. Stärkster Abgang – Filip Trojan – 3,4.
2 Durchschnittsnote der Neuzugänge 3,3. (Einschränkung: Deniz Naki hatte nur ein bewertetes Spiel in Liga 2, Max Kruse hat in der dritten Liga gespielt). Der Abgänge – siehe 1 3,6.
3 Und nur zwei Spieler haben eine schwächere Durchschnittsnote:
Max Kruse hat sich um 0,4 (Note 2009/10 3,2) verschlechtert, spielt aber eine Liga höher und ist immer noch deutlich besser, als der beste Abgang – Filip Trojan (siehe oben). Außerdem hat sich Florian Lechner um 0,2 Punkte verschlechtert.
4 Notendurchschnitt der verbliebenen Spieler 2008/2009 3,7, 2009/10 3,3.
5 Notendurchschnitt der Neuzugänge 2008/09 3,3, 2009/10 3,0.
6 Thorandt, Morena und Ebbers jeweils genau um 1,0, Lehmann und Bruns um 0,6.
7 Notendurschnitt FC St. Pauli 2008/09 3,7, 2009/10 3,2.