Spitzenfussball, Spitzenfussball, Hey! Hey!

Mist. Wir haben die Tabellenführung abgegeben. Nach einem Heimspiel. So wird das nix.

Okay, Spaß beiseite. Fußball ist ja auch nix zum lachen. Eigentlich ist der zweite Tabellenplatz nach dem dritten Spieltag ja mehr wert, als der erste Tabellenplatz nach dem zweiten Spieltag. Soweit klar? Ich habe damit übrigens nicht gesagt, dass der zwölfte Tabellenplatz nach dem dreizehnten Spieltag noch besser ist. Ähm, sagte ich schon Spaß beiseite?

Fußball. Also so richtiger, guter, technisch höherwertiger Fußball:

Ballstafetten. Durchdachte Spielzüge. Koordiniertes Spiel aus der Abwehr. Schnell das Mittelfeld überbrückend nach vorn und dort zum Abschluß kommen. Technisch teils brilliante Einzelleistung in ein von der Mannschaft getragenes Kollektivspiel eingebunden. One-Touch-Football. Kurzpassspiel. Rotierende Offensivpositionen. Verschieben in Ballnähe. Schnelles Aufrücken der Abwehr. Variabler Angriffsfußball. In Unterzahl trotzdem nach vorne spielen.

Bullshitbingo mit Fußballbegriffen? Von mir aus, aber… Das ist – wenigstens seit Aachen – der FC St. Pauli. Klar, nicht alles klappt immer, aber – WOW.

Klar, ich war enttäuscht nach dem Abpfiff. Aber das hat sich inzwischen gelegt. Da war zwar mehr drin, als das 2:2 – trotz Unterzahl – aber irgendwie ist das was, was mir gerade gute Laune macht. Die erste halbe Stunde setzte den überzeugenden Auftritt in Aachen nahtlos fort. Teilweise wirklich großartige Kombinationen über vier, fünf Stationen bis in den duisburger Strafraum, wirklicher Zauberfußball. Dann kam Takyi und machte erst das völlig verdiente 2:1 um dann, ebenfalls völlig verdient, früher Duschen zu gehen. (Der Schiri lag übrigens fast überall richtig, auch wenn mir das im Stadion absolut nicht so vorkam)

Was danach kam, war das eigentlich noch erstaunlichere.

Wir kennen das ja eigentlich von früher – mit 10 gegen 11 wird sich eingeigelt. 6er Kette am eigenen Strafraum, 2 “halboffensive” im Mittelfeld und ein einsamer Stürmer am Mittelkreis. Nicht so St. Pauli.

Munter weiter offensives Kombinationsspiel. Natürlich jetzt etwas weniger dominant, natürlich hinten abgesicherter, aber das was die da mit zehn Leuten gemacht haben, war besser, als alles was ich letzte Saison live am Millerntor erlebt habe. Duisburg drehte auf, aber für mein Empfinden war St. Pauli immer noch nahezu gleichwertig, trotz Unterzahl. Und Duisburg hatte wahrlich nicht schlecht gespielt. Auch nach dem 2:2 kein Einbrechen, sondern weiter der Versuch noch das 3:2 zu erzielen. Ich war eeecht erstaunt. Möchte fast sagen begeistert. Wenigstens nachdem ich mich abgeregt hatte 🙂

Irgendwie kann die Truppe gerade guten Fußball spielen, trotzdem im richtigen Moment kämpfen und das auch noch beides zeitgleich zeigen. Wenn das so weitergeht, ahne ich eine Entspannte Saison im oberen Mittelfeld. Oder so 😉

Die schlechte Nachricht des Wochenendes lautet also: Tabellenführung vergeigt.
Die gute lautet: Aachen war keine Eintagsfliege, was den Fußball anging. Das wird. Toll. Hoffe ich!

Fingerspitzengefühl

Es gibt irgendwie zwei Typen von Fußballfans, –offiziellen, –spielern, -trainern.
Diejenigen, die Fußballregeln hinnehmen und verstehen und diejenigen, die dauernd was von “Fingerspitzengefühl” vor sich hin murmeln.

Fingerspitzengefühl ist es immer dann, wenn der Schiri genau dann die Augen kräääftig zukneift, wenn man/der eigene Spieler gerade kräftig gegen die Regeln verstoßen hat, aber durch die dafür vorgesehene Bestrafung vom Platz flöge, für das nächste Spiel gesperrt wäre, oder einfach schlechte Laune bekäme.

Und diejenigen, die am lautesten nach Fingerspitzengefühl gröhlen, sind meist diejenigen, die, wenn das ein Gegenspieler gewesen wäre, laut darüber jammern, dass die nötige Härte fehle bzw. der Schiri doch bitte konsequent die Regeln anwenden möge.

Hallo? Genau dafür gibt es die Regeln.

Wenn (m)ein Spieler den Gegner umschubst oder das andeutet, ist das schlicht eine Tätlichkeit. Sorry, aber sowas ist dann – regelkonform – ein Platzverweis. Da war der Spieler dann zu dumm. Ich kann meinen Kunden ja, platt gesagt, auch nicht mal eben eine scheuern, nur weil sie mir auf den Keks gehen.

Von Profi-Fußballern erwarte ich übrigens, dass sie die Regeln kennen. Das heißt, dass sie sich nicht das Trikot überziehen, wenn sie jubeln, dass sie nicht mit ihrer Nase am Kinn des Gegners antippen, wenn der sie vorher angegrätscht hat und dass sie nichtmal ansatzweise auf die Idee kommen, den Schiri auch nur unhöflich anzuquatschen. Das ist – aus meiner Sicht – hochgradig unprofessionell und im Prinzip auch Vereinsschädigend.

Wenn (m)ein Spieler für sowas vom Platz fliegt, reg ich mich inzwischen echt nur noch über den Spieler auf. Und kurz darauf dann über all jene, die wieder was von “fehlendem Fingerspitzengefühl” faseln.

Übrigens auch immer schön, die Forderung Regelverstöße anders zu ahnden, weil die Folge ja in dem speziellen Fall entweder zu Gelb-Rot oder zu nem Freistoß führen könnte. Gelb-Rot ist die zweite gelbe Karte. Nichts weiter. Die hat genauso hart oder weich zu sein, wie die Erste. Da darf den Schiri gar nicht interessieren, dass der Spieler deshalb vom Platz fliegt.

Sonst hieße das nämlich, dass sich Gelb-belastete Spieler mehr erlauben dürften, als diejenigen ohne.

Sonst hieße dass, das im Strafraum härtere Fouls erlaubt sind, als überall sonst.

Auch komisch, oder?

In diesem Sinne: Respekt für all die Spieler, die danach einfach mal den Arsch in der Hose haben und zugeben, dass sie da schlicht einen Fehler gemacht haben.
„Da bin ich nicht clever gewesen“ hat St. Paulis Charles Takyi heute direkt nach dem Spiel zu seinem Platzverweis gesagt. Danke. So geht das. Kein rumgeflenne, kein Verweis auf fehlendes Fingerspitzengefühl, einfach zu eigenen Fehlern stehen. Das ist mein Pauli!

Spitzenreiter, Spitzenreiter, Hey! Hey!

Wenns um Fußball geht, denke ich immer noch überwiegend in Großbuchstaben und Ausrufezeichen. Ich meine.. sowas hier:

FÜNF ZU NULL!!!!

Aber irgendwie trägt das keinen ganzen Blogbeitrag. Okay, ich würde mich vermutlich immer dran erinnern, was ich gemeint habe, nur ein bisschen was zu erzählen gibt es ja auch.

Mein erstes Auswärtsspiel seit ich weiß nicht wie lange. Und dann sowas. Alles fing ganz harmlos an, indem ich den Sonntagabend und den Montag damit verbrachte bei zauberhaftem Sommerwetter durch Aachen zu schlendern (und vermutlich werde ich davon auch noch ausführlicher berichten).

Dabei fielen mir dann auch direkt die ersten Dinge mit Bezug zum Spiel auf. So zum Beispiel, dass die Aachener tatsächlich der Frau Pleitegeiger die Hummel Hummel quasi abgeschaut haben.

hummel_fake

Ja, das ist das tolle Öcher Maskottchen “Al-Aix”. Sieht irgendwie sehr.. grauslig aus. Ich bin ja eh nicht so der Maskottchen-Typ, aber.. der rannte auch in groß im Stadion rum und ich fand das ganze doch eher zum wegsehen. Naja. Ich glaube den Aachenern geht es wenigstens zum Teil wohl ähnlich.

Gen Abend ging es dann langsam in Richtung neuer Tivoli, ich hatte ein Hotel direkt am Hauptbahnhof, und dachte mir dass es nicht so schwer sein sollte, das hinzubekommen. Falsch gedacht. Am Busbahnhof mußte ich drei Aachen-Fans nacheinander fragen, um herauszubekommen, das keiner wußte, wie genau es zum Tivoli geht. Spannend, weil die alle mit dem Bus dahin wollten. Naja, ging dann doch irgendwie. Was auffiel war, mit wie viel Respekt die busfahrende Aachenmeute von St. Pauli sprach. Die meisten spekulierten darauf, dass entweder Lehmann oder Ebbers das erste Tor am neuen Tivoli schießen würden. Für uns.

Optimismus geht anders. Andererseits hatten sie ja recht, Ebbers schoß ja sogar die beiden ersten Tore dort.

Apropos neuer Tivoli… bei der ersten Annährung hat das ganze schon arg was von Parkhaus.

parkhaus_tivoli

Und auch wenn man reinwill. Als Gästefan darf man vom Parkplatz durch den gemütlichen Tunnel da rechts unten. Übrigens auch, wenn man von der Bushaltestelle vor dem Stadion kommt. Also von vor dem Stadion einmal gaaaanz ums Stadion rum, dann ungefähr 200 Meter den Weg entlang zum Parkplatz, dann 200 Meter vom Parkplatz – jetzt hinter dem Zaun – zurück, dann durch die Kontrolle, dann durch den Tunnel, und dann ist man wieder ungefähr dort, wo man vor 10 Minuten schon vorbeigegangen ist. Also ungefähr.

Die Eröffnungsfeier selbst war… eine “offzielle Feier”. Entsprechend langweilig fand ich das ganze. Endlose Interviews mit Leuten, die mir nix sagte. Ich hoffe mal, die Aachener Fans hatten mehr davon.

Das Spiel selbst war – siehe oben – einfach genial. 20 Minuten Abtasten, 20 Minuten (vier!) Tore schießen, 5 Minuten erstaunt sein. Pause. Eine Halbzeit feiern und kurz vor Schluss für Rouven Hennings freuen, dass er endlich mal das Tor trifft. Und singen. Viel singen.

spiel_am_tivoli

Und ich war wirklich erstaunt, wie gut St. Pauli Fußball spielte. Ja, am Anfang gab es zwei recht dicke Chancen für die Aachener, die Hain entschärfte, aber St. Pauli spielte mit. Man hatte fast immer den Eindruck, dass jeder Pass überlegt war, dass die Spieler immer versuchten, nicht nur den Ball los zu werden, sondern tatsächlich schnell und direkt zu einer guten Offensivaktion zu kommen. Okay, nach den Toren lief der Ball dann natürlich sowieso wie von selbst. Für mich besonders auffällig: Die Mannschaft spielt unglaublich variabel. Naki, auf Links angefangen stand plötzlich rechts außen. Thorandt, eigentlich Abwehrspieler, plötzlich im offensiven Mittelfeld, während Lehmann hinten blieb.  Toll. Tolltoll! Wenn das so weitergeht, kann das eine wirklich schöne Saison werden.

Großartig auch, wie wir am Ende der Halbzeitpause anfingen auf die Situation angepasst zu singen. Wer auch immer sich den Song auf die Schnelle ausgedacht hat: Danke!

Alemanniaaaaa!
Ihr verliert, das ist doch klar!
Hier am Tivoliiii
siegt der FC St. Pauli

keine Ahnung, was die Melodie darunter war, aber es war genau das richtige Lied zum richtigen Zeitpunkt.

Und jetzt sind wir Spitzenreiter.
Zweiter Spieltag, zweite Bundesliga, erster Platz: FC St. Pauli.
Alle bisher möglichen Punkte geholt. Und dann dieses Torverhältnis!
Von mir aus könnte die Saison schon vorbei sein. Dann dürfte ich auch das A-Wort in den Mund nehmen, ohne mit sozialen Konsequenzen der anderne Südkurventwitterer rechnen zu müssen. Samstag geht’s weiter gegen Duisburg. Ich bin jetzt schon ganz hibbelig.