Wechselspiele 2009/I – Die Abgänge

Dieser Artikel ist der erste von dreien, die sich mit den Veränderungen im Kader des FC St. Pauli in dieser Sommerpause beschäftigen.

Heute hat quasi die Saison 2009/2010 angefangen. Jedenfalls für die Spieler des FC St. Pauli. Und während mit Beginn der Sommerpause die Sorgenfalten in den Stirnen der Fans ziemlich tief waren, sollte sich das ganze inzwischen geglättet haben. Anlass für mich, in drei Artikeln die Abgänge, Zugänge und die daraus entstandene Mannschaft einmal genauer unter die Lupe zu nehmen.

Verlust von Führungsspielern

Wir erinnerun uns: Das komplette offensive Mittelfeld hatte am Anfang der Sommerpause den Verein gewechselt:
Alexander Ludwig, Filip Trojan und Björn Brunnemann. Außerdem Rene Schnitzler und mit David Hoilett und Ömer Sismanoglu sicherlich hoffnungsvolle Talente.

Und wie das so war, waren alle Spieler, die uns verliessen die (glaubt man einigen im St. Pauli-Forum) Granaten schlechthin.
Top5 im Zweitligavergleich. Mindestens. Und damit nicht zu ersetzen.

Wirkliche Führung?

Ludwig und Trojan waren sicher prägend für unser Offensivspiel und häufig auch mit die auffälligsten Spieler auf dem Platz. Aber war das Offensivspiel wirklich so überragend? 52 geschossene Tore sind Ligadurchschnitt. Nicht mehr, nicht weniger. Und dass die zentralen Mittelfeldspieler am auffälligsten sind, liegt auch an ihrer Position.
Wären sie es nicht, wären sie wahrlich schwache Spieler. Aber das, was ich von Spielern auf dieser Position ist, dass sie auch mal alleine ein Spiel entscheiden können, die anderen Mitreissen, Dominanz ausstrahlen. Wie Thomas Meggle in seinen besten Jahren, wie Carsten Pröpper.

Und das war bei beiden nicht der Fall. Klar, gerade Trojan hat einige Highlight-Spiele gehabt. Nicht umsonst forderte nicht nur ich in der Winterpause noch, dass er seinen Vertrag verlängert. Aber die Spiele in der Rückrunde, ganz besonders auswärts, waren ja dann doch nicht so brillant.
Von einem Führungsspieler – der er ja sein wollte und sollte – erwarte ich da mehr. Und Alex Ludwig? 10 Tore. Das spricht für ihn. Gegen ihn sprechen seine Launigkeit, seine Unauffälligkeit und – meiner Meinung nach – auch, dass er es in keinem der Spiele, die ich Live oder im Fernsehen gesehen habe geschafft hat, dem Spiel seinen Stempel aufzuprägen. Er war immer nur einer unter vielen. Und qua Position eben offensiv ausgerichtet und recht erfolgreich.

Außerdem haben wir unglaublich viele Gegentore kassiert. Gegentore, an dem das Mittelfed mitschuld ist. Und gerade Trojan und Ludwig haben das Defensivspiel doch gerne vernachlässigt.

Ich glaube, dass Trojan – wenn er mental stärker wird – das Zeug zum Bundesligaspieler hat. Schauen wir, was er in Mainz macht. Aber ich glaube nicht, dass er das bei St. Pauli geschafft hätte. Vielleicht war es hier zu kuschlig. Keine Ahnung. Ich glaube nicht, dass Ludwig das Zeug dazu hat. Dazu fehlt es ihm an Einstellung. So aus der Ferne vermutet.

Ergänzungsspieler/Talente

Und der Rest? Brunnemann mochte ich immer gerne spielen sehen. Dynamisch, kämpferisch. Aber ehrlich gesagt war er immer nur Ergänzungsspieler. Vielleicht hätte es mehr werden können, aber in der Praxis saß er meist draußen. Mit Schnitzler wurde ich nie ganz warm. Hoilett, sicherlich ein Juwel. Aber wenn wir ehrlich sind, hatte er zwei bis drei wirklich gute Spiele, und sonst war er Mannschaftsdurchschnitt.

Und Ömer? Ja, ich fand seinen Auftritt gegen Mainz großartig. Ich glaube, er hat Potential. Aber wenn ein türkischer Club für einen 19 jährigen Ablöse zahlt, ist es glaube ich schon der richtige Schritt, ihn gehen zu lassen. Zumal – was man so liest – er ja auch gewisse Probleme hatte, was seine Einstellung anging. Auf keinen Fall Kriegsentscheidende Verluste. Alles spieler, die sicherlich nicht schlecht waren, aber uns auch nicht vorwärts gebracht hätten in der neuen Saison.

Verlust?

Nicht falsch verstehen. Ich finde es gerade bei Brunnemann schade, dass er geht. Habe gerade Trojan bei einigen Spielen unglaublich gerne zugesehen. Aber rational betrachtet geht damit sicherlich nicht die Welt unter. Ludwigs 10 Tore waren wichtig und wertvoll. Aber was man nicht vergessen darf: Die Spieler hätten ja keine Lücken gerissen, hätten sie nicht gespielt. Es hätten andere Spieler auf Ihrer Position gespielt. Vielleicht hätte Flo Bruns auf Ludwigs Position nur 7 Tore gemacht, statt 10, aber der Vergleich darf nie Spieler vs. Nichts sein. Das vergessen viele Fans gerne.

Morgen: Die Zugänge – schafft die sportliche Leitung es, die Verluste auszugleichen? Ist das neue Team evtl. sogar stärker als das alte?

Trainerkarussel – Erste Ergebnisse

Nachdem ich neulich schon drüber nachgedacht hatte, hier mal kurz meine Gedanken zum aktuellen Trainergeschiebe aufgeschrieben:

In Leverkusen geht Bruno Labbadia, dafür kommt Jupp „Osram“ Heynkes.
Ein durchschnittlicher Trainer der wenigstens sowas wie modernen Fußball spielen ließ wird durch einen uralt-Trainer ersetzt, der schon häufiger gezeigt hat dass er es, gerade in der Bundesliga völlig versemmeln kann (Frankfurt, Schalke, Gladbach). Endlich hat Bayer Leverkusen damit aber einen eigenen Uli Hoeneß. Ich stelle mir gerade das Rot-Rote Duell vor und die nahezu explodierenden Köpfe der beiden.
War Leverkusen nicht der Verein der Heizpilze aufstellte um die Fans zu wärmen? Das ist wohl jetzt nichtmehr nötig.

Dafür geht Bruno Labbadia zum HSV, ersetzt dort Hub Stevens Martin Jol.
Ein auf Anhieb recht erfolgreicher, international erfahrener Trainer mit Fachwissen und Potential wird durch einen durchschnittlichen Trainer, der wenigstens sowas wie modernen Fußball spielen lässt ersetzt. Hm.
Wobei: Labbadia hat Erfahrungen in den vier obersten deutschen Ligen. Das kann auch was wert sein, zumal der Bundesliga-Dino damit ja quasi völliges Neuland beträte. Aber, Veränderung um jeden Preis? Endlich mal was ganz neues? Muss man auch nicht machen, oder?

Michael Skibbe ersetzt Friedhelm Funkel bei Eintracht Frankfurt.
Friedhelm Funkel hat glaube ich fast überall solide Arbeit geleistet und – subjektiv – zumindest meist die Erwartungen die man in seinen Kader setzen konnte erfüllt. Skibbe war… Co-Trainer von Rudi Völler bei der National Elf.
Aber okay, Frankfurt will auch nicht Welt- oder Europameister werden, von daher kann Skibbe da schonmal nicht versagen. Außerdem war Funkel den biederen Frankfurtern bestimmt zu bunt, farbenfroh, aufregend. Mit Skibbe haben sie jetzt den einen Trainer gefunden, der noch farbloser als Funkel rüberkommt. Graue Maus der Liga wäre da schon fast zu bunt.

Hans Meyer verlässt Mönchengladbach, dafür kommt Michael Frontzeck.
Meyer, der immerhin in letzter Sekunde den Klassenerhalt geschafft hat, nachdem die Situation zur Winterpause fast schon aussichtslos war. Hat Erfahrung wie sau und war immer für einen doofen Spruch zu haben.
Als Ersatz Michael Frontzeck, der es in Aachen und in Bielefeld jeweils geschafft hat die beiden Mannschaften auf den Abstieg vorzubereiten. Was ich mich gefragt habe ist: Haben die gladbacher Offiziellen das nicht gewußt?
Aber okay, vielleicht findet man sich auch nur mit dem Unausweichlichen ab und hat sich schon mal den richtigen Trainer dafür gesichert. Der schafft den Abstieg wenigstens sicher.

Lediglich Schalke 04 (ich hab schon vergessen wie der Vorgänger hieß) mit Magath und Bayern, die nach dem Titelbildmodel Jürgen Klinsmann mit Louis van Gaal einen echten Trainer angestellt haben, haben sich übungsleitertechnisch gesteigert.
Aber die Bayern hatten sich ja bereits als sie Jupp Heynkes (Details siehe oben) als Acht-Spieltage-Coach einstellten verbessert, das war also nicht schwer.
Und bei Schalke waren mit dem Interimstrio Büskens/Mulder/Reck auch nur …naja, Büskens, Mulder und Reck zu ersetzen.

Christoph Daum geht Karussell fahren

Früher war das ja alles ganz einfach im Fußball: Wenn es mal nicht so lief, dann wurde der Trainer gefeuert. Ab und zu, aber eigentlich ganz selten, wurden auch mal einzelne Trainer abgeworben. Ich erinere mich daran, was für ein Boohey es gab, als Otto Rehagel damals von Werder Bremen Richtung Isar umzog.

Aber die Regel waren panisch-spontane Trainerwechsel mitten in der Saison, spätestens drei Spieltage vor Schluß (Bielefeld hat’s in dem Sinne richtig gemacht, letzte Saison) mußte der Trainer weg sein, dann wurde teils ein Interimstrainer (meist der vorherige Cotrainer) benannt, und zur neuen Saison kam dann ein vorher arbeitsloser Trainer (wir erinnern uns, es waren ja spätestens seit 3 Spieltagen diverse Übungsleiter entlassen worden) – und durfte alles von vorne versauen.

Inzwischen ist aber irgendwie alles anders. Trainer scheinen sich daran gewöhnt zu haben, von sich aus den Club zu wechseln. Ohne vorher gefeuert zu werden. Trotz relativen Erfolgs beim bisherigem Arbeitgeber. Für uns Fußballfans ist das irgendwie böse. Kaum hat man sich an einen Trainer gewöhnt, ihn möglicherweise sogar lieb gewonnen, glaubt daran, dass endlich der Mann an der Seitenlinie steht, der uns das Paradies, den Titel, den Aufstieg, den Pokalsieg und selbstverständlich einen bis zehn Europapokalsiege ermöglichen könnte, geht er. Ohne Vorwarnung. Und viel wichtiger: Ohne, dass man das ganze irgendwie gut finden könnte. Immerhin war man ja bisher auch nicht ganz erfolglos und – siehe oben – irgendwie glaubte man ja….daran.

Eben gerade hab ich gelesen, dass Christoph Daum Köln verlässt, um in Istanbul anzuheuern. Vor einer Woche hat Martin Jol den HSV Richtung Amsterdam den Rücken gekehrt. Einen Tag später wurde die Demission Hans Meyers in Gladbach verkündet. Und nur wenige Tage zuvor, gab Eintracht Frankfurt bekannt, dass man den Vertrag mit Friedhelm Funkel auflöse. Das sind vier Erstligatrainer innerhalb anderthalb Wochen. Trainerkarussell galore.

Zählt man den Wechsel von Felix Magath vom Meister (!) nach Schalke mit (müsste man eigentlich, immerhin wurde Magath auch nicht entlassen), sind das sogar fünf. Fünf Trainer, die irgendwie “falsch” den Verein verlassen.

Was soll sowas? Das verursacht bei allen nur unnötiges Herzflimmern. Kölner, Gladbacher, Frankfurter und HSVer zittern, wer jetzt bei Ihnen anheuert bzw. angeheuert wird. Und fast alle anderen zittern, dass nicht gerade der Trainer, an den sie sich endlich gewöhnt haben, der… siehe oben, also der aktuelle Messias eben nicht gerade das Interesse weiter oben stehender Clubs geweckt hat. Bruno Labbadia hat’s ja vor etwa einem Jahr vorgemacht, wie schnell das gehen kann.

Vier Bundesliga-Vereine suchen gerade einen neuen Trainer. Vier. Darunter mit Gladbach, Köln und Hamburg drei Vereine, bei denen der Trainerjob sicherlich aufgrund der Tradition der Clubs wirklich attraktiv ist. Das ist nicht gut. Das ist gar nicht gut. So als alter Zweitligist. Dass ihr da oben uns hier unten die Spieler wegkauft, kein Ding, das ist der Lauf der Dinge.. .Aber dass wir jetzt auch noch darüber nachdenken müssen, ob evtl. der Trainer weggekauft wird? Passt mir nicht.