Der olympische Geist

Das Reizzentrum hatte ja bereits auf meinen letzten Olympia-Beitrag kontrovers reagiert. Jetzt bin ich dort heute über einen Artikel gestoßen, der diesen TAZ-Artikel verlinkt. Und sehe es – wie zu erwarten – komplett konträr. Dabei geht es darum, fünf “olympische Ideale” zu benennen und ihr Fehlen zu beklagen. Am einfachsten gehe ich mal auf jedes im Einzelnen ein und sage dazu, was ich dazu denke:

das Ideal des Amateurismus
Die olympischen Spiele erheben mehr oder weniger stark den Anspruch die Weltelite in den jeweiligen Sportarten zusammen zu rufen.
Eine Position in der Weltelite zu erreichen und zu halten ist im Sport aber nun Mal mit einem recht großen Aufwand verbunden. Es ist inzwischen wohl nahezu unmöglich mit 2 Stunden Einsatz alle 3 Tage zu den Top 10 in irgendeiner Sportart zu gehören, die von einer nennenswerten Menge an Menschen betrieben wird. Zudem erfordert es der Sport ja auch, dass man an Wettkämpfen teilnimmt. Dies bringt jedoch auch finanziellen Einsatz mit sich.
Auch die Teilnahme an den Spielen verursacht ja nicht geringe Kosten für den Teilnehmer: Reise nach Peking, Freistellung vom eigentlichen Beruf etc. wären bei Amateuren ja alles Dinge die sie selbst aufbringen müssten.

Amateurismus bedeutet also: Spiele für die Reichen. Diejenigen, die aufgrund ihrer Stellung die Möglichkeit haben größere Zeit in ihr “Hobby” zu stecken, diejenigen die in der Lage sind auch größere Kosten zu stemmen.

Damit will ich ausdrücklich nicht alle Aspekte des Profitums hochjubeln. Aber ich denke schon, dass dies die bessere Lösung ist. Sowohl was den Leistungsgedanken angeht, als auch was die Möglichkeiten für den einzelnen angeht. Und dass unter Profibedingungen die Wahrscheinlichkeit höher ist, dass auch soziale Randgruppen erfolgreiche Sportler hervorbringen ist ja kein ganz schlechter Effekt.

Bindung des Sports an ethische Regeln und Grundsätze
Sport ist, genau wie fast alle anderen menschlichen Erfindungen an Regeln gebunden. Üblicherweise für die jeweilige Sportart definierte Regeln. Das hat zunächst einmal überhaupt nichts mit ehtik zu tun, sondern mit praktikabilität. Wettkampf ist nur dann möglich, wenn die Wettkämpfer sich einem Regelkorsett unterwerfen. Blöde gesagt würden beim 100m-Lauf sonst alle Motorrad fahren, weil es damit schneller ginge. Definition des Ziels und der Optionen dies zu erreichen. Regeln.
Mit Ethik selbst hat Sport meiner Meinung nach überhaupt nichts zu tun. Sport ist die Überhöhung des kapitalistisch-darwinistischen Prinzip. Nur die am besten Angepassten “überleben”. Nur diejenigen die ihr Leben möglichst optimal dem Ziel unterordnen in der jeweiligen Sportart zu gewinnen UND die die besten Voraussetzungen mitbringen, gewinnen am Ende. Das ist das genaue Gegenteil von dem was die meisten meinen, wenn sie über ethische Regeln und Grundsätze nachdenken.

das Prinzip der Leib-Seele-Einheit
Ja, da merken wir, dass die “olympische Idee” irgendwann Ende des 19. Jahrhunderts geboren wurde. In einer sich noch nicht wirklich differenziert habenden Gesellschaft, die noch in altertümlichen Strukturen denkt. Generalisierung statt Spezialisierung. Natürlich spricht nichts dagegen, wenn die Athleten neben dem Körper auch den Geist trainieren. Zunehmend mehr wird es sogar für den sportlichen Erfolg relevant auch “was im Kopf” zu haben. nur: Das ist keine zwingende Grundlage für sportlichen Erfolg. Und um den geht es hier.

Selbstvollendung
Aehja. Tschuldigung aber das ist nun echt irgendwie Esoterik-Kram, oder? Die TAZ schreibt dazu “Beim Prinzip der "Selbstvollendung" geht es nicht um einen vollendeten Körper, eine vollendete Wettkampfleistung.” Aehja, nicht? Sondern um eine durchschnittliche Wettkampfleistung? Etwas später folgt dann: “Dieses ganz individuelle Einüben körperlichen Könnens und seiner Selbsteinschätzung dazu ist eine der spannendsten Erfahrungen, die Athleten aus meiner Sicht erleben können.”.
Und? Übrigens ja nun was, das ein durchschnittlicher Sportler täglich hat. Also das Einüben körperlichen Könnens, das der Autor so toll findet.

Aber eigentlich: Wettkampf! Sieg! Sport!
Okay, nach Meinung der TAZ ist das wohl alles nebensächlich, aber da es hier um meine Meinung geht: Selbsterfahrungstrips haben mit den Spielen ja nun erstmal genau gar nichts zu tun.
Wer meint er müsse “Selbstvollendung” anstreben.. bitte, aber darum geht es erstmal vorrangig nicht. Wettkampf. Sieg.

die Friedensidee des Sports
Krieg oder Frieden ist eine politische Entscheidung staatenführender Personen oder Gremien.
Sportlicher Erfolg ist die individuelle Leistung einzelner Athleten (bzw. der Athleten und Ihrer Stäbe).
Krieg ist eine im weitesten Sinne aufgrund wirtschaftlicher Bestrebungen getroffene Entscheidung zu gewalttätigen Handlungen gegenüber anderen Staatenkonstrukten.
Sport bietet möglicherweise die Möglichkeit, Freundschaft zwischen Athleten verschiedener kriegführender Parteien herbeizuführen. Das unterschätzt aber die Tatsache, dass es in modernen Kriegen fast nicht mehr darum geht, ob man sich “mag” oder nicht, sondern schlicht darum, inwiefern einer der beiden Wege mehr Erfolg verspricht. Übrigens auch schon im Mittelalter die größte Antriebskraft hinter gewalttätigen Auseinandersetzungen. Hat also eigentlich so gar nichts miteinander zu tun. Die beiden spielen sich einfach auf völlig unterschiedlichen Ebenen ab.

Olympische Ideale? Siehe oben. Brauche ich nicht. Gebt mir Sport, Erfolg, Höchstleistungen, Rekorde, Unterhaltung. Das hat sich seit Caesar nicht geändert: Entertain me. Spiele. Gladiatoren. 

Wo bleiben die Löwen? Los, zerfetzt mich.