Kuhdorfenhausen

Laut (N)ONLINER Atlas 2009 sind fast 70% der Deutschen online. 70% von 80 Millionen sind 56.000.000 Onliner. Und das Netz ist ziemlich unübersichtlich. Es gibt keinen “hier treffen sich alle-Ort”.
Keinen Dorfplatz auf dem man sich zwangsläufig über den Weg läuft.

Und trotzdem ist das Internet irgendwie ein Kuhdorf. Irgendwie trifft man sich immer zweimal. Selbst hier.

Früher hing ich viel im Usenet rum. Früher, also so… damals, 1996 oder so. Hauptsächlich – wie überraschend – in der Fußballgruppe “de.rec.sport.fussball”. Kurz DRSF.
Einen der anderen (vielleicht 50) Regulars, also regelmäßigen Nutzer, lernte ich ein Jahr später zufällig während meines ersten Studentenjobs am Packtisch kennen.
Einen anderen Regular traf ich dieses Jahr über eine gemeinsame (Onlien-)Bekannte bei Twitter wieder.
Hatte erst gar nicht die Brücke geschlagen zwischen damals und heute. Irgendwann später geblickt, dass ich den Klarnamen hinter dem Twitternickname von früher kenne.

Das Früher von oben war auch die Zeit der Blutgrätsche. Das war seinerzeit eine großartige Fußballseite. So ne Art Gruppen-Blog zum Thema Fußball, noch sehr Web 1.0, aber schon auf dem Sprung ins Web 2.0, wenn man so will. Die Beiträge der Autoren hab ich verschlungen, damals. Letztes Jahr hab ich bei Plurk einen der Autoren von früher kennengelernt. Zufällig. “Kennste Blutgrätsche? Da hab ich mal geschrieben”. Wow.

Mein erstes Zuhause im Netz war ja irgendwie das IRC, das muß auch sowas wie 1996 oder 1997 gewesen sein. Als ich gerade mit dem Bloggen angefangen hatte (auch grad mal knapp zwei Jahre her), las ich einen Beitrag woanders. Schrieb darüber und setzte ein Trackback. Et Voila:
Der Autor des besagten Beitrags ist ein alter Bekannter aus dem IRC. „Curi? Bist Du das?!“

Heute quatscht mich jemand in Twitter an “Sag mal bist Du nicht der Curi0us von damals?”. Ja, bin ich. Natürlich bin ich der Curi0us von damals. Knapp 10 Jahre muß das her sein, dass wir das letzte Mal sprachen.

Klar, die ganzen Web2.0-Junkies, die man überall im Web2.0 findet, die ganzen Netzwerke, die man überall repliziert, der “social Graph”.. Klar sieht man sich da häufiger. Die Leute bei Plurk, Twitter, Facebook, Posterous oder im Feedreader.

Aber dieses über längere Zeiträume wieder über den Weg laufen? Dieses “Hey, Dich hab ich doch im letzten Jahrtausend schonmal online gesehen”-Ding.

Geht euch das auch so?

Quasi vorgestern

Es gibt diese Momente, in denen einem bewußt wird, wie viel Leben man schon hinter sich gebracht hat. Auch wenn man sich eigentlich noch jung fühlt. Gerade erst das erste Lebensdrittel hinter sich, oder so.

Neulich erst, quasi vorgestern – mit den Freunden in der Schule gesessen und mit den anderen mitgefiebert, die gerade ihr mündliches Abi hinter sich bringen.

Neulich erst, quasi vorgestern – mit dem besten Kumpel das erste Mal auf ein Konzert von dieser deutschen HipHop-Kapelle gepilgert. Das muß – genau wie mein Abi – so 1994 gewesen sein. Vielleicht auch ein Jahr früher.

Neulich erst, quasi vorgestern.

Als ich sie das erste Mal gehört habe, hab ich sie noch nicht wirklich wahrgenommen. Doch dann kam dieses Lied, „Die Da“, erinnert Ihr euch?
Und danach kannte sie plötzlich jeder. Und ich hab dann nochmal näher hingehört. Gott, das ging gar nicht, der Typ mit der Mütze, dieses selten bekloppte Video. Aber irgendwie – die Musik war schon gut, damals.

Vorgestern ging vorbei, Leben passierte. Und gestern kam. Gestern, als sie ihr neustes Album veröffentlichten. Das mit dem Lied bei dem am Anfang alle… heute würde man wohl WTF sagen. Das Lied also, bei dem am Anfang alle WTF sagten. MfG.

Hammer. Und mal wieder verschlug es mich auf eines der Konzerte der Jungs. Nichtmehr in der großen Freiheit sondern in der Alsterdorfer Sporthalle. 1999 war das, und ich weiß noch, wie ich mich wunderte, woher plötzlich all diese Teenies herkommen.
Ich mein.. es war doch grad gestern, dass ich auf meinem ersten Fanta4-Konzert war, oder? Und da waren wir noch alle ungefähr mein Alter. Maximal etwas älter, aber jüngere? Kaum.

Seit gestern ist einiges passiert. Seit vorgestern erst recht. Schule, Abi, Zivildienst, Uni, Diplom, Beruf, Karriere…Leben.

Seit Vorgestern ist St. Pauli zwei Mal in die Bundesliga aufgestiegen. Und war vier Jahre in der dritten Liga.

Irgendwann zwischen gestern und vorgestern hab ich mit dem Internet angefangen. Damals. Neulich. Vorhin erst.

Und heute?  Heute hab ich das neuste Album auf meinem iPhone. Fornika. Gerade vorhin gekauft, einen Tag, nach dem es im Handel war.
Immer noch frisch, was die Jungs machen. Aber war ja auch erst Vorgestern, als ich sie das erste Mal gehört habe.

Eben seh ich, dass es im Sommer ein Konzert der Fantas in Stuttgart gibt. Im Juli, auf der Canstatter Wasen.

20 Jahre.

Komisch, wie schnell die Zeit vergeht. Gerade rückblickend.
Irgendwie war mir, als wäre „Die Da“ neulich erst gewesen.

Quasi vorgestern.

(Konzertinfo via Heliumkiffer)

Vor 9 Jahren…

So ungefähr 20 Jahre meines Lebens bin ich inzwischen St. Pauli-Fan.

20 Jahre Aufs und Abs.

Zwei selbst miterlebte Aufstiege in die Bundesliga: Gegen Homburg und gegen Nürnberg.
Der erste begleitet von 1000en Fans, die direkt am Feld standen. Von der Ungewißheit, ob wir trotz 5:0 gegen Homburg, bei wunderschönem Sommerwetter, vielleicht doch nicht aufsteigen. Nicht aufsteigen, weil irgendwie, irgendwer das Spiel annulieren, uns die Punkte aberkennen könnte. Der zweite gefeiert auf dem Heiligengeistfeld, während das Team in Nürnberg spielte. Das entscheidende Tor durch Deniz Baris. Public-Viewing in seinen Anfängen.

Drei Abstiege in Liga 2, der erste davon sogar noch in der Relegation gegen die Stuttgarter Kickers.
Nach zweimal 1:1. Im Entscheidungsspiel in Gelsenkirchen (und dann wundert man sich, dass ich Schalke nicht leiden kann).

Ein Abstieg in die dritte Liga, nur ein Jahr nach dem Abstieg aus der Bundesliga. Durchgereicht werden.
Und natürlich der Aufstieg in die zweite Liga vor zwei Jahren.
Am vorletzten Spieltag gegen Dynamo Dresden schon alles klar gemacht. Jubelnd auf dem Spielbudenplatz.

Davon 14 Jahre mit Dauerkarte. 14 Jahre, in denen ich nahezu jedes Heimspiel gesehen, erlebt habe. Alles in Allem wohl irgendwo zwischen 250 und 300 Spielen am Millerntor. Nach vier Jahren Auszeit in der kommenen Saison dann wieder mit Dauerkarte. Ich freu mich drauf.

Aber trotz dieser Unmenge an Spielen, eines sticht heraus. Eines, das ich mit so vielen Emotionen verknüpfe, wie kein anderes. Eines, nach dem ich im Stadion mehr als nur eine Träne verdrückte. Eines, bei dem die Anspannung größer war als bei allen anderen.

Der emotionalste Moment meiner Fußballleidenschaft, jetzt, vor fast genau 9 Jahren.

26. Mai 2000 gegen 20:45.
FC St. Pauli – Rot-Weiß-Oberhausen.
90+ Spielminute.
Torschütze zum 1:1: Marcus Marin.
Vorarbeit: Ivan Klasnic.
Klassenerhalt in Liga 2.